2017 durchquerte ich Sachsen-Anhalt. Von Stendal aus ging es gut ausgeschildert südlich nach Magdeburg und dann ein wenig improvisiert direkt nach Westen auf den Braunschweigischen Jakobsweg. Höhepunkt war selbstverständlich das aus Ruinen auferstandene Magdeburg, beeindruckt hat mich allerdings die noch immer große Trostlosigkeit in vielen Dörfern der einst so reichen Magdeburger Börde.
Pilger-Steckbrief: 129 km, 25,16 Stunden, 650 Höhenmeter
Jeder Schritt und Fotos dieser Strecke in Komoot
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tolle Menschen am Wege
Meine Pilgerstempel
Es sollte mein längster Jakobsweg werden. Die Strecke von Stendal Richtung Magdeburg hat leider kaum Übernachtungsmöglichkeiten, so dass ich mich dazu entschied, mehr als 40 km an einem Tag zu laufen, wollte ich doch kein Zelt mitschleppen. Im April ging es los. Als Zielort hatte ich mir Rogätz an der Elbe ausgesucht. Es sollten viele schwere Schritte werden. Dabei ist die Landschaft so flach wie langweilig. Die wenigen Dörfer wirkten wie ausgestorben. Dörfer wie Heeren oder Grobleben waren recht durchsaniert. Man fragte sich nur für wen. Als ich nach unglaublich ereignislosen 35 km die ersten Elbdeiche erreichte, konnte ich es nicht mehr erwarten, in mein Bett im Radfahrer-Hotel an der Elbfähre zu fallen. Aber es sollten noch schwerere 7 km nach Räbke werden. Die Hotelfrau hatte mich als einzigen Gast, in einem riesigen Zimmer mit Blick auf die gesperrte Autofähre, denn die Elbe führte mal wieder Hochwasser.
Am kommenden Tag genoss ich den Sonnenaufgang an der Elbe. Ich hatte erstaunlich schnell wieder Energie getankt auf dem Weg nach Wolmirstedt.
Ich habe mich stets gefragt, warum der Weg von Rogätz nach Wolmirstedt in einem nördlichen Bogen verläuft. Der Grund ist ein riesiger Weißer Berg mitten in der Magdeburger Börde. Der „Monte Kali“ des Kaliwerks Zielitz stand schlicht im Jakobsweg. Das hieß mehrere Kilometer Umweg, allerdings durch ein sehr schönes Waldgebiet. Begleitet wurde ich eine gute Strecke von zwei Reiterinnen. Auf der Linken Seite stets der Bagger auf dem weißen Monte Kali. Das ansonsten unansehnliche Wolmirstedt hat eine sehr schöne Schlossdomäne, eine Burganlage über der Stadt mit einer sehenswerten Schlosskapelle. In Wolmirstedt sollte diese Tour enden. Ich nahm mal wieder den Zug zurück nach Berlin.
Im Mai kam ich nur für eine kurze Strecke nach Wolmirstedt zurück, die allerdings viele Höhepunkte zu bieten hatte. Der ausgeschilderte Jakobsweg geht zunächst wieder Richtung Elbe, die ich überqueren musste, um nach Magdeburg zu gelangen. Doch die Brücke, die ich nehmen musste, hatte es in sich. Es ist die fast 1 km lange und damit größte Kanalbrücke Europas, die Trogbrücke Magdeburg. Ungemein beeindruckende Bilder boten sich mir auf dem über der Elbe schwebenden Mittellandkanal. Auf der ostelbischen Seite ging es anschließend durch ein liebenswertes Auengebiet von Magdeburg. Ich musste noch einmal die Elbe überqueren, um über das Hafengebiet in die so lange geschundene Stadt zu kommen. Ich kannte Magdeburg noch als Wessi in DDR-Zeiten. Das erste Mal kam ich nun zu Fuß und damit besonders bewusst zurück. Das Wenige was von dieser einst so schönen Stadt übrig geblieben ist, schaute nun nicht mehr aus einer trostlosen, sondern aus einer bestmöglich geflickten Ebene heraus. Im wahrsten Sinne herausragend ist und bleibt der Magdeburger Dom, den ich diesmal noch verschmähte. Die restaurierten Kirchen der nördlichen Stadt suchte ich nur kurz auf, um die katholische Kathedrale St. Sebastian aufzusuchen. Ich hatte das Glück, zum Abschluss meines Tages einen Gottesdienst besuchen zu können, bevor ich mich in einem „amerikanischen Spezialitätenrestaurant“ vor meiner Rückfahrt mit Burgern belohnen konnte.
Im Juni kam ich nur für einen weiteren Wandertag nach Magdeburg zurück. Diesmal holte ich mir den Pilgerstempel im Dom ab.
Dann ging es Richtung Westen. Meine Zielbahnhof war Eilsleben. Die Dörfer auf dem noch nicht offiziellen Jakobsweg haben mir nur genug gezeigt, wie das einst reiche Bauernland im Sozialismus geschunden wurde. Wie so oft auf meinem Weg nach Santiago kam ich an Stellen, die schon früher für mich beutend waren. Mit meinem Schulkameraden Jens habe ich noch zu DDR-Zeiten seine Verwandtschaft in Diesdorf besucht. Zufällig führte mich der Jakobsweg eben durch diesen dörflichen Vorort von Magdeburg. Ich erinnere mich noch gerne an die „alten Tanten“, die uns mit Liebenswürdigkeiten übernachten ließen. Von Diesdorf aus machten wir Touren bis zum Bauhaus nach Dessau und Dresden. Der Weg durch die Börde war angenehm, mit tollem Rückblick auf den Dom. In Wellen konnte ich derweil meine ersten 300 km seit Berlin mit einem „Paderborner Pilger“ feiern.
Den schaurigen Tiefpunkt hingegen bildete Dreileben, das mir als das Gegenteil von Leben schien. Passend zum fast verlorenen Ort war ein enormer Regenschauer am Dorfeingang.
Von Dreileben war es dann nicht mehr weit bis zum Bahnhof Eilsleben. Es war aber höchste Zeit, denn 35 km in 7 Stunden war dann doch eine Strecke…
Offensichtlich nur ein Teil des Jakobswegs in Sachsen Anhalt. Etwas irritierend.
Nun, es ist der Teil des Jakobsweges, den ich gelaufen bin 🙂