Chut choan, Westfalen! Ich bin nun im Rheinland! 938 km gen Westen habe ich im Sommer 2019 von Berlin aus geschafft. Die Etappe reichte zwar nicht an die Überraschungen heran, die ich bisher von Höxter/Paderborn aus im Sauerland erlebt habe, aber dafür ging es in das heilige Köln. Mein Pilgerweg ins Rheinland hieß „Heidenstraße„, von Grevenbrück lief ich über Attendorn, Meinerzhagen, Marienheide, Lindlar, Untereschbach, Bensberg. Ab Köln ging ich die ersten Meter auf der Via Coloniensis über Brühl nach Weilerswist und dann zurück mit dem Zug nach Berlin. Trotz vieler blaugelber Muschelschilder habe ich keinen Menschen auf aktiver Pilgerschaft ertappt. Es gab aber auch hier viele Heldinnen und Helden am Wege!
Ich startete meine Tour in Grevenbrück und erstmals gab es eine Inflation von Pilgerschildern. Ich wählte die Südroute über Niederhelden nach Attendorn. Die Landschaft knüpfte auch westlich der Lenne an das grüne Hügelige des Hochsauerlandes an. Fachwerk, Bildstöcke, Kapellen, Wälder, Felder… alles wie gehabt.
Die Burg Bensberg ist nicht weniger erstaunlich. Die Architektur von Gottfried Böhm, die aus dem alten Gemäuer durch innovativen Beton ein Rathaus machten, kannte ich vom Diözesanmuseum aus Paderborn. Die Kritik ist gleich platt wie auf den verständlich. Was folgte, war der Abstieg in mein geliebtes Cölle. Wieder durch den Königsforst. Meine Füße taten zunehmend genauso weh, wie mich der Naherholungswald langweilte. Noch langweiliger wurden natürlich die Vororte der Millionenstadt. Eine überraschende Abwechslung war die Begleitung von zwei Magdeburger Schwestern, die in Köln in der Pflege Jobs bekamen und mich nun ausquetschten nach meinem Pilgerweg in Sachsen-Anhalt. In Deutz besorgte ich mir noch Blasenpflaster bei einer Notapotheke, bevor es dann bewegend über die Deutzer Brücke ging. Leicht fand ich Touris, dir mich vor dem Dom verewigten!
Die Altstadt wimmelte in der Sonne. Mit meinem Rucksack suchte ich zwischen all den Touristen meinen Weg zum Dom. Mein Tagesziel war das Pfadfindergästehaus St. Georg im Kölner Süden. Ausgerechnet der Hohe Dom wurde zum Umweg. Selbst in der Domstadt gab Pilgerstempelstress. In Groß St. Martin war man erstaunt, dass es so etwas überhaupt gab. In der Kathedrale wussten die Domschweizer natürlich bescheid. Eine der ersten 4 Domschweizerinnen (seit Mai im Einsatz) schleuste mich dann an einer Messe vorbei Richtung nördlichen Chor. An Andacht konnte ich angesichts der Besuchermassen und der „Stempeljagt“ gar nicht denken. Ich plante später am Abend zu einer Messe zurückzukommen. Pilgern ohne im Hohen Dom länger innezuhalten, wäre doch unangemessen. Der Weg in die Südstadt ließ mich nur noch kurz in St. Maria im Kapitol einkehren. Die freundliche Kirchenaufsicht war erstaunt, einen Pilger zu sehen. Sehr selten hätte er seinen Stempel in ein Pilgerheft gedrückt. Überhaupt bekäme die wunderbare romanische Kirche nur wenig Aufmerksamkeit, bedauerte er. Ich musste weiter, die Pfadfinder machten am Sonntag kürzer Dienst. Meine Füße wurden gut abgelenkt durch die neu gestaltete historische Severinstraße. St. Severin war leider auch verschlossen, aber dennoch ist das Pilgern durch dieses Viertel besonders sinnig. Wie viele Pilger durchschritten das Severinstor auf dem Weg Richtung Trier zuvor?
Meine Füße waren mittlerweile gut durch. Und meine ersten Blasen nach über 900 Kilometern lagen definitiv an den Schuhen. Blasen auf beiden kleinen Zehen oben… das Material ist eindeutig durch… neue Schuhe müssen her.
Dennoch entschied ich mich, nach einem tollen Kaffee im Bistro der Pfadfinder, weiter als nach Brühl zu wandern. Weilerswist sollte der Endpunkt werden. Der Weg durch den Kölner Süden war abwechslungsreich. Die Orte, die ich durchwanderte waren sehr stark auf Pilger eingestellt. Auch war vielen Passanten der Weg ein Begriff. Da war Siegberg im Brühler Schlosspark, der schon einmal den gesamten Weg von Köln gelaufen ist (non-stop!). Und zuvor traf ich Tobias, der mit seinem Vater ebenfalls wie ich etappenweise nach Südwesten unterwegs ist, allerdings über Aachen. In Brühl fand gerade Margaretenkirmis statt. Wunderbar, eine Wurst mit Kölsch am Stand auf dem Pilgerweg. Leider waren deshalb auch alle Kirchen verschlossen (warum auch immer). Nix Stempel…
Aber auch das UNESCO-Welterbe Schloss Brühl war geschlossen (Montag…), zum Glück gab es den Park. Mein Weg führte seit Köln durch viele schöne rheinische Dörfer, mit den kleineren Fachwerkhäusern, sehr häufig entlang der alten römischen Wasserleitung. Viele Gemeinden wiesen auf Übernachtungsmöglichkeiten hin. Pilgerstempel gab es selbst bei Privathäusern. Ich bin gespannt, wie das erst in der Eifel wird. Am Schluss erwartete mich eine wasserlose Wüste in den Villewäldern. Im Prinzip ein wunderschöner Wald. Aber meine Wasserblase war bei 40 Grad Sonnenschein ziemlich schnell leer und ich hätte nicht gedacht, dass es so wirklich gar keine Stelle zum Wassertanken gab. Einzige Hoffnung war eine JET-Tankstelle kurz vor Weilerswist… durstig ließ ich den schneeweißen Swister Turm links liegen, aber dennoch in der heißen Sonne. Endlich schleppte ich mich in den Tankstellenmarkt und griff nach erstbesten Wasserflasche. Ich leerte sie sofort, vollklimatisiert. Wenige Meter weiter in Weilerswist endete eine lange Route an wenigen Tagen. 938 Kilomenter auf meinem Weg nach Santiago liegen hinter mir. 194 Stunden zu Fuß von Berlin waren es bisher. Das nächste Mal lockt die Eifel!
Literaturhinweis:
- Annemarie Schmoranzer/Herbert Schmoranzer/Franz-Norbert Scheele, Wandern und Pilgern auf der Heidenstrasse. Auf den Spuren der Jakobuspilger im kurkölnischen Sauerland zwischen Oberkirchen und Attendorn. (Pilgerweg). Paderborn 2004
Die fehlenden Etappen nochmals bei Komoot: