So unterschiedlich und doch so ähnlich schön sind die Wege in Europa. Je suis arrivé en France! Von Trier nach Toul sollte es 2021 gehen. Mein Weg Richtung Santiago führte mich so auf den letzten Metern durch deutsche Lande. Und nur für Schengen war ich noch einmal in Luxemburg. Dann tauchte ich in das Grand Est Frankreichs ein, mit überraschend schön viel Geschichte und Geschichten. Auf Umwegen sah ich Dörfer, die mein Opa nach dem Zweiten Weltkrieg als Gefangener betrat und als Freund verließ. Natürlich war es wieder eine Tour in der Pandemie. Die nervigsten Grenzen auf meinem Weg zog ein Virus.
Mal wieder ging ich bei Übernachtungen auf Nummer sicher. Ich bewundere andere Pilger:innen die ohne Planung laufen, aber ich bin ein Orgafreak. Und so habe ich auch diesmal die meisten Etappen vorab bei Kirchengemeinden abgeklärt. Die Bistümer von Metz und Nancy-Toul sind sehr zugänglich. Mir hat aber auch die Seite Pilgerweg von Köln nach Le Puy, die Seite der Les amis de Saint-Jacques-de-Compostelle – région Lorraine und vor allem die dort bestellbare Liste der privaten Unterkünfte geholfen. Der Wanderführer Jakobsweg Trier – Le Puy-en-Velay war frisch aktualisiert ebenfalls sehr hilfreich. Für die Geschichte habe ich einen uralten Du Mont Kunstreiseführer ausgegraben. Dass Pilgerstempel auf Französisch „Tampon“ heißen, daran gewöhnt man sich übrigens. Kirchen sind meist stempellos, aber wenn man in die zahlreichen Mairien geht, bekommt man immer einen Stempel verpasst.
Letzter Stopp in Deutschland
Mein Weg begann im fantastischen römischen Trier, weiter auf der Via Coloniensis. Schon seit Köln verfolgen mich römische Wasserleitungen und Spuren. Überall Erklärschilder rund um Ausgrabungen.
Natürlich wird in Deutschland ein viel größerer Bohei aus Roms Erbe gemacht. Man will ja bezeugen, dass man doch etwas mit klassischer Kultur zu tun hat. Und so sollte ich nach Trier gleich zwei rekonstruierte Römerbauten erleben. In Frankreich angekommen erscheint das Römische freilich in der eigenen Kultur absorbiert.
In Trier kam ich bei den freundlichen wie unkomplizierten Josefsschwestern unter. Es dürfe eine weitere Schwesterneinrichtung sein, die mangels Nachwuchs nicht mehr lange bestehen wird. Entsprechend dankbar war ich für die Gastfreundschaft. Eigentlich hätte ich in der Benediktinerabtei meinen Weg fortsetzen sollen, aber wie schon bei meiner letzten Tour nach Trier, war keine Übernachtung möglich. Immerhin konnte ich am Anreisetag im Klostermuseum den Stempel am ersten Apostelgrab meiner Reise erheischen. Diesmal war also Apostel Matthias dran. Aber natürlich bleibt mein Ziel Apostel Jakobus d.Ä.
Am Morgen ging es bei diesigem Wetter durch die wunderbare Trierer Altstadt zur Mosel, die mich bis Toul begleiten sollte. Die Mosel ist hier breit und einsam. Campingplätze säumen sie fortwährend. An der Saarmündung geht der Weg in eine schöne Hügellandschaft über. Highlight hinter Tawern war der römische Tempelbezirk, wo man sich nach einem beschwerlichen Aufstieg sehr gerne bei einem bunten nackten Gott Merkur erholte. Pilgern auf einer Römerstraße heißt schnurstracks auf Hügel laufen und wieder runter. Vom Metzenberg hat man einen starken Blick auf Trier. Und natürlich verweist der Bergname auch auf das Ziel Metz. Mein Ziel sollte aber ein anderer Metzbezug sein: Merzkirchen. Die Pfarrgemeinschaft Wincheringen hatte mir empfohlen, in Körrig den Schlüssel für das Pfarrheim abzuholen. Auf dem Weg dahin ging es durch die schönste Mittelgebirgslandschaft und Obstwiesen durch Fisch, wo mich ein Viezomat erwartete, der mich mit Würsten und dem besten Apfelsaft seit Berlin versorgte. Nach Fisch gibt es noch die Jakobskirche des untergegangenen Dorfes Rehlingen/Littdorf mit seiner Kirche St. Jakob d.Ä. mit Stempel und einem nett-touristischen Jakobs-Pavillon um eine Quelle, genannt „Bruoder Boar“. Im durchaus ansehnlichen Körrig angekommen hatten mir Martin Lutz und seine Familie viel zu erzählen. Früher habe es auf dieser Strecke viele Pilger gegeben. Nicht erst seit der Pandemie habe dies aber enorm abgenommen. Es hätte lange Zeit auch noch eine private Pilgerherberge gegeben, nun aber sei alles in Wohnungen umgewandelt worden. Der Herbergsmutter hatte sich enorm viel Mühe gegeben. Sie habe aber irgendwann die viele Arbeit mit dem Pilgervolk aufgegeben. Martin Lutz ließ es sich nicht nehmen, mir das Pfarrheim direkt aufzuschließen und fuhr mit dem Auto nach Merzkirchen. Ich lief zu Fuß. Das Landleben ist schon seit langem ein Leben im Auto. Das gilt schon seit Brandenburg. Anders als das Kleinod St. Lukas und St. Arnold in Körrig ist St. Martin eine recht junge Kirche, die schon jetzt ihren Zenit überschritten hat. Gemeindeleben stirbt hier relativ sichtbar. Im Pfarrheim machte ich es mir im Hauptsaal gemütlich. Aber nicht zu toppen war der Pfarrgarten mit Fernsicht auf Lothringen, inklusive Kühltürmen des Kernkraftwerkes von Cattenom. Irgendwo dahinter war das Dorf, wo mein Großvater Zwangsarbeiter war. Man sagte mir im Dorf, dass man an den Wolken der Kühltürme erkennen könne, wie das Wetter werde. Nett. Denn das Wetter war wunderbar. Und als ich gerade im Gras des Garten saß, lud mich die Nachbarsfamilie zum Abendessen ein! Eine wunderbare Gastfreundschaft im ehemaligen Pfarrhaus bei mexikanischem Essen. Das Leben ist auch am letzten Abend in Deutschland schön!
Dreiländertour dank Schengen
Der Morgen begann früh neblig mit einem starken Abstieg an riesigen Windmühlen vorbei, die zu meinem Erstaunen im Nebel Regen auslösten. Ab jetzt ging es raus aus Deutschland. Seit Berlin hatte ich bis auf einen kurzen Abstecher in das luxemburgische Echternach den Weg nach Santiago erstaunlich deutsch erlebt. Aber das sollte sich am heutigen Tag radikal ändern. Es ging in das Dreiländereck. Wie immer habe ich mir unnötigerweise einen Zeitdruck gesetzt und so raste ich mit fast 5 km/h zum Schwesternhaus im lothringischen Rettel.
Von meinem Wanderverführer wurde ich aber noch zu einem Umweg gebracht, der mit viel Natur, aber auch mit römischer Kultur zu tun hatte. Am herrlichen Bach Leuk im Naturschutzgebiet Leuktal, Krautfelsen, Bärenfels auf dem Maria-Croon-Weg genoss ich meinen kurzen saarländischen Abschnitt, samt weiterer Jakobskirche in Keßlingen, die aber leider verschlossen war. Hinter Oberleuken traf ich dann auf ein weiteres wahres Geschichtsentertainment, den Archälogiepark Römische Villa Borg. An der Museumskasse vom Rucksack erleichtert tauchte ich in der Imitation römischer Lebensweise ein. Es lohnte sich ungemein. Das anschließende Mittagessen in der Taverne Borg animierte mich dazu, angebliches Cervisia zu trinken und rustikal römisches Essen zu verschlingen. Das Pilgern in praller Sonne war entsprechend beschwingt. Perl erreicht man nach einem langsamen Anstieg auf einer Hochfläche und einem kurzen brachial von der Autobahn getrennten schön weinbergigem Abstieg. Hier passierte es mir zum ersten Mal, dass mich eine Anwohnerin aus dem Fenster heraus zum Übernachten animieren wollte. Offensichtlich gibt es kaum noch Pilger, die private Unterkünfte suchen. Nach dem durchaus beschaulichen Perl führt der Weg am Deutsch-Luxemburgischen Lyzeum vorbei nach Schengen. Die Schul-Bushaltestelle im Niemandsland wirkt für Wanderer besonders abschreckend. So erleben Schüler:innen das Dreiländereck? Überhaupt sind die letzten deutschen Meter meines Weges sehr autolastig und eher hässlich. Die Brücke nach Schengen entsprechend unspektakulär. Auf luxemburgischer Seite hat man sich dann alle Mühe gegeben, der europäischen Bedeutung der Landschaft zu entsprechen. Das kleine Schengenmuseum ist vor allem gut in Kombination mit der Geschichtsmeile am Fluss. Schengen als Ausdruck der höchsten Form der europäischen Integration. Es ist eigentlich ein Sehnsuchtsort für Menschen, die in das starke Europa kommen möchten. Ein Schengen-Visum ist erstrebenswert. Dass das Prinzip Schengen allerdings unter Druck ist, zeigt der vom Museum groß propagierte Hashtag #Schengenisalive. Natürlich lebt Schengen… Schengen wird geliebt wie gebraucht, steht aber leider unter Druck, da nationale Regierungen sich einfach mit Grenzbeschränkungen profilieren können. Ich traf viele in dieser Region, die durch die Grenzschließungen seit der Pandemie, den Glauben an den europäischen Geist verloren haben. Kurz zurück auf deutscher Seite kam ich dann in das nächste Land meiner Reise. Der absurde Eiffel-Turm von Apach war dann das ultimative Zeichen, dass ich mich nach Saarland und Schengen in ein Land begab, dass sich überwiegend an das zentrale Paris ausrichtet. Aber natürlich waren die ersten französischen Meter wunderbar. Bei bestem Wetter erreichte ich Sierck-les-Bains, wo ich mich beim europaweit unvermeidlichen deutschen Discounter für das Abendessen eindeckte. Die Festungsanlage habe ich nicht erklommen, dafür bekam ich in der Touristen-Info meinen ersten Pilgerstempel. Sierck ist wunderbar an der Mosel gelegen. Hinter dem Sierck verließ ich den ausgeschilderten Pilgerweg und erreichte bei einem enormen Sonnenuntergang den kleinen Ort Rettel. Hier erwartete mich die Dominikanerin Sœur Hélène, um mir eines der Zimmer zu geben, die sonst für Arbeiter des Kernkraftwerks Cattenom genutzt werden, und sich ja mittlerweile selten Pilger:innen hier verirren. Die Zimmer der communauté domenicaine waren sehr komfortabel. Die gastfreundlich wie betagte Schwester Hélène sprach mit mir elsässisch und stellte mir die ganze Küche zur Verfügung, die ich aber nicht nutzte, da ich mich abends an das schmucke Moselufer von Rettel setzte und den Sonnenuntergang genoss. Morgen sollte es über die Mosel gehen auf einen Pilgerumweg in die Vergangenheit von Opa Fritz.
Exkurs zu Freunden meines Opas
Das Wetter blieb erstaunlich schön. Ich folgte der Mosel an dieser Stelle mit waldiger Natur. Beim mir sehr reich erscheinenden Malling überquerte ich den Fluss. Erst dachte ich, dass die Dörfer hier so wohlhabend sind, weil das Kernkraftwerk Arbeit verschaffte. Später sagte man mir, dass vor allem Luxemburg der große Jobmotor der Region sei. Und in der Tat, seit der Eifel sah man immer wieder luxemburgische PKWs vor den Häusern. Dennoch kamen mir die Türme von Cattenom wie ein Tolkiensches „The Four Towers“ vor. Wieder im schönsten Sonnenschein war ich auf dem Weg zu einem Mittagessen in einem ehemaligen Bauernhof, wo mein Großvater Zwangsarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg war. Aber zunächst musste ich Cattenom links liegen lassen und die Maginot-Linie überqueren. Am Petit Ouvrage de Sentzich begrüßte mich ein freiwilliger Junge in der Uniform der Forces françaises libres, der mit seiner Mutter das kleine Sonntagsmuseum am Fuße der Festungsanlage betreute. Sie zeigten mir den steilen Weg auf den Galgenberg, der mit Verteidigungsanlagen übersäht und durchbohrt ist. Dass ich als Deutscher hier mit Rucksack durchspazierte, um den „Gefangenenort“ meines Opas zu finden, war schon bewegend. Hinter dem Wald kam ich auf die Ebene und sah von der Ferne den Tour Usselskirch, dessen Kirche 1940 komplett zerstört wurde. Ich musste nachdenken. Eigentlich kenne Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg fast nur als Bombenkrieg. Hier war ich in einer von Kriegswerken durchpflügten Frontregion. Ich dachte dankbar an Schengen als ich vor dem Zielort Boust stand.
Hier erwartete mich gleich Jean Paul, der mich am liebsten die letzten Schritte mit dem Auto gefahren hätte, was ich leider aus Pilgerehre ablehnen musste. Dann kam ich an den Hof, den mein Opa Fritz 1946 betrat. Er war als letzter schwächlicher unterernährter Soldat in Metz von Jean Pauls Großvater quasi auf einem „Zwangsarbeitermarkt“ wohl aus Mitleid ausgesucht worden. Die Gastfreundschaft, die ich dann erfuhr, gab mir einen Eindruck, warum sich Fritz so wohl fühlte. Die Bauerstochter Adelaine erinnerte sich noch in hohem Alter an meinen Opa und erwartete mich mit der ganzen Großfamilie in der guten Stube, samt Wein, regionaler Speise, sprich mit viel herzlicher Gastfreundschaft. Auf deutsch-lothringisch-französisch parlierten wir froh über Geschichte und das Leben. Adelaine ist mit ihren über 90 Lebensjahren „la doyenne du village“, sie schwärmte noch heute von der Zeit, als mein Opa auf dem Hof arbeitete und wo er freiwillig blieb und später mit meiner Großmutter mehrfach zu Besuch kam. Ein Bild, was vor dem Hauseingang entstand, stellten wir beschwingt nach. Ihre Tochter Maryse brachte mich sogar als „1ère Maire adjoint“ in die Mairie und verpasste mir anschließend einen Pilgerstempel. Besonders beeindruckend war der Schafstall meines Großvaters, den er aus Resten der Maginot-Linie erbaute. Eine Urenkelin brachte es auf den Punkt: „Die Schafe sind noch heute glücklich!“ La vie est belle! Merci, Adelaine!
Schweren Herzens ging es mit dem Rucksack weiter. Ein letzter Blick auf „The Four Towers“ und dann wanderte ich durch einen ansehnlichen Walt den Hügelrücken von Boust herunter Richtung Thionville, wo ich in der Kirche Saint-Maximin zur Messe gehen wollte. Abbé Stéphane hat mir eine Pilgernacht im Pfarrhaus ermöglicht, samt anregendem Gespräch bei Pizza mit weiteren Mitbrüdern.
Wieder zurück auf den Wegen Jakobs
Gleich nach der Morgenandacht ging es wieder über die Mosel. Überraschenderweise lächelte mich am Hôtel de Ville ein Robert Schuman-Kopf an und beschämte mich auf Grund meiner Unkenntnis. Der Mitvater des Vereinten Europas war zu der Zeit Deputierter der Region, als mein Großvater in Boust lebte. Wir alle haben diese europäische Geburtsregion und ihre Kinder, die Eltern Europas, vergessen.
Nach der Mosel schlug ich mich förmlich auf Abwegen durch Vororte und Landschaft. Es sollte eine Quälerei werden. Denn ich hatte mich nicht auf die besten Wege bei Komoot verlassen, sondern wollte unbedingt durch nahezu undurchdringliche Wälder und matschige Felder wandern. Nur das in Boust mitgegebene Essen unter einem Wegkreuz munterten auf. Immerhin wurde es mit dem mühsamen Erreichen des eigentlichen Pilgerweges bei Kédange-sur-Canner wieder angenehm. Ausgeschilderte Pilgerwege machen doch Sinn. Gegenüber der Kirche gab es im Hotel/Restaurant de la Canner nicht ein gut verdientes Bier samt Pilgerstempel. Der anschließende Weg verläuft sehr angenehm durch Mittelgebirgslandschaft an vielen hellbraunen Kuhherden, pittoresken Höfen und Burganlagen vorbei. Hinter St. Hubert wurde der Weg immer steiler. An der Kapelle „Notre Dame de Rabas“ versorgte mich eine Jugendgruppe noch mit gutem Bier. Bei 8% Steigung in einem matschig schönen Wald rutschte ich einmal ungemein aus. Der einzige Regen auf der ganzen Tour hatte in der Nacht den Waldboden reichlich aufgeweicht. Genervt nach einer ziemlich abwechslungsreich aufreibenden Tour kam ich endlich auf der Höhe in Vigy an. Ich war zwar angemeldet, aber kam sehr spät im Jugendzentrum ADEPPA an. Mein Platz war schon von einer anderen Pilgerin in Beschlag genommen. Aber meine allererste Begegnung meiner einer Mitpilgerin war kein Drama. Das weitläufige Zentrum in freier Natur war nur schwach belegt und so fanden wir beide ein Zimmer.
Metz mon amour
Josefa ist eine Magdeburgerin aus Mainz und brachte mir beim ersten gemeinsamen Pilgern Richtung Metz viel über die Logistik an einem Krankenhaus mitten in der Pandemie bei. Bisher wanderte ich seit Berlin stets ohne Gemeinschaft. Ich bekam nun den Eindruck wie angenehm neben dem einsamen Wandern auch eine spannende Begleitung ist. Wir kamen recht schnell über die Banlieue in das erstaunlich spannende Metz. Unser Ziel war die Jugendherberge Carrefour gleich hinter den Festungsanlagen.
Die Stadt mit ihrer wunderbaren Kathedrale ist eine Mischung aus Französischer Eleganz, heilig-römischer Reichsstadt und preußischer Ordnung. Ich war sehr froh, abends eine französische Freundin aus Berlin treffen zu können, die in der Region in Saarbrücken arbeitet. Mit Isabelle konnte ich lange bei wieder gutem regionalem Essen die schwierigen deutsch-französischen Beziehungen diskutieren, die während der Grenzschließungen (vor allem durch deutsche zumal saarländische Kleinmütigkeit) auf eine große Probe gestellt worden sind. Wir waren uns einig, dass Paris und Berlin nicht wirklich der Nabel Europas sein können. Ein Drittel aller Europäer:innen lebt in einer Grenzregion und nicht in selbstbezogenen Hauptstädten. An ehemaligen Grenzen lebt Europa. Isabelle zeigte mir noch ihr Metz. Die Stadt ist eine Perle und leicht mit Hochgeschwindigkeitszügen zu erreichen.
Erstaunlicherweise hat die Kathedrale zwei Pilgerstempel. Gar nicht einfach zu bekommen. Aber Mangel und Erfindungsreichtum gehören ja zum Pilgern. Am Folgetag genoss ich noch die Stadt und ihre Markthalle. Diesmal sollte es nur wenige Kilometer an den Stadtrand Richtung Metz-Jouy gehen. Die folgende Strecke entlang der Mosel und dem Canale de Jouy hat nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten. Und so entschloss ich mich in einem B&B Hotel am Rande eines futuristischen Einkaufszentrums zu übernachten, das nur wenige Meter von der Mosel entfernt war. Auf einer Reiterwiese verspeiste ich die lothringischen Leckereien aus Metz.
Gastfreundschaft an der Mosel
Metz hinter mir ging es wieder in die Provinz, immer an der Mosel entlang, nach einiger Zeit sogar oberhalb durch Dörfer und wunderbar sonnigen Obstwiesen. Mein Ziel war Dieulouard, wo mir der Pfarrer Abbé Gérard eine Unterkunft in Aussicht gestellt hatte. Leider musste er kurzfristig nach Brüssel. Aber er arrangierte eine fantastische Gastfamilie, die mich an der Kirche Saint-Sébastien in Dieulouard abholen wollte.
Patrice & Sylvie holten mich am Barockaltar der wunderbaren Kirche ab und freuten sich genauso wie ich auf die Bekanntschaft. Sie arrangierten sogar eine Tour in das Pfarramt, wo ich den allerhöchstoffiziellen Pilgerstempel erhielt. Aber grandios war die Gastfreundschaft in ihrem wunderbaren Haus an der Mosel. Wir diskutierten bei einem tollen Menü über Gott und die Welt und ich bemerkte, warum Gott gerne in Frankreich ist.
Meine Gasteltern brachten mich am nächsten Morgen zurück nach Dieulouard. Wie immer sollte kein Meter meines Weges motorisiert verloren gehen. Es war wunderbar mit diesem Lehrerehepaar, das mir so viel Freude und Esprit gebracht hatte. Es begann ein neuer Tag über sonnige Dörfer und Felder zu einer anderen bemerkenswerten Gastmutter. Es sollte durch das mittelalterliche Liverdun nach Villey-Saint-Étienne gehen. Liverdun erreichte ich über eine sonnige Hochfläche und einen Abstieg, der mich dann wieder auf eine Felsenzunge brachte, die ein so ausgestorbenes wie sehenswertes Stadtdorf beherbergte. Irgendwo musste es einen internationalen Campingplatz geben. Ich wunderte mich über ein grandioses Touristenbüro hoch über der Mosel und mit einigen holländischen Besucher:innen. Als ich aus dem mittelalterlichen Stadttor heraustrat musste ich gleich wieder zurück, um ein Video aufzunehmen. Atemberaubend schön die Lage. Anschließend ging es wieder kurz zu einem deutschen Discounter, da es kaum kleine Läden gab. Und hier gab es dann die ersten deutschen Lebkuchen des Jahres. Voilà, auch das ist Europa.
In Villey-Saint-Étienne erwartete mich Anne, deren Adresse ich über Les Amis de Saint-Jacques-des-Compostelle erhielt. Anne stellte mir nicht nur ein Zimmer zur Verfügung. Sie kochte auch liebevoll für mich. Wir konnten viel über andere Pilgergäste und die Region sprechen. Es war wunderbar. In einer Spendenkiste konnte ich mich erkenntlich zeigen, was ich sehr gerne tat. Anne ist die perfekte Gastmutter.
Toul erreicht
Aber Anne zeigte mir am nächsten Morgen auch noch ihr Dorf. An einer Stelle gibt es eine kleine Pilgerstatue und im romantischen Nebel sah ich die Kirche Saint-Martin und die Grosse-Maison, ein Haus der Renaissance. Die Mosel verdeckte der Nebel vollständig. Nach einem herzlichen Abschied von Anne ging es über eine weitere Stätte des „Großen Krieges“ dem Fort du Vieux-Canton zur letzten Etappe nach Toul, wo ich vor meiner Rückreise nur die Cathédrale Saint-Gatien erobern wollte. Denn eines Tages würde ich hier wieder meinen Weg beginnen. Aber diese Kathedrale hat es in sich. Ganz alleine bestieg ich einen ihrer Türme. Es war ein krönender Abschluss meiner Reise! Das nächste Mal geht es nach Burgund!
Hallo,
wir sind begeistert auf deine Seite gestoßen. Da wir ungefähr den gleichen Weg gegangen sind, können wir vieles nachfühlen.
Danke auch für die vielen schönen Anregungen und Tipps.
Weiterhin Buen Camino!
Viele Grüße
Pelerins du soleil
Wunderbar! 🙂 Buen Camino!
Hallo Bernd,
nach längerer Zeit habe ich mal wieder auf deine Seite geschaut, um zu erfahren, wo du inzwischen auf deinem Weg angekommen bist. Deine Berichte haben nämlich den Anstoß gegeben, dass ich mein Projekt „Pilgern ab der Haustür“ angegangen bin. Seit 2019 wandere ich von Magdeburg gen Santiago und scheine dich 2020 zwischenzeitlich wohl „überholt“ zu haben, als ich von Köln nach Metz gewandert bin. Letztes Jahr war dann eine Coronapause und ich bin nach Halle (Saale) umgezogen. Jetzt überlege ich, ob ich in Metz weiterpilgere oder in Halle einen Neustart über die Via Regia und dann weiter zum Bodensee wage. Auf jeden Fall wünsche ich dir „Buen Camino!“ und hoffe auf weitere interessante Pilgerberichte.
Beste Grüße von Markus (Ex-Magdeburger, jetzt Hallenser)