Interessenvertretung vulgo Lobbying in der EU – mein Beitrag im Jahrbuch der Europäischen Integration 2021: Die Covid-19-Pandemie hat auch auf die intermediäre Einflussnahme von Politik und Gesetzgebung große Auswirkungen. Lobbyismus fand im Berichtzeitraum zu einem großen Teil nicht mehr vor Ort in Brüssel oder den Hauptstädten, sondern telefonisch/digital statt. Gleichzeitig vollzog sich der Legislativprozess außerhalb des üblichen Politikzyklus. Für Gesetzesinitiativen und langfristige Finanzpakete bestand kaum Raum für Konsultationsprozesse.
Dies betraf neben dem Mehrjährigen Finanzrahmen vor allem das Rekord-Wiederaufbauinstrument „Next Generation EU“. Im Umfeld einer klimapolitischen und auch digitalen Dringlichkeit wären in „normalen Zeiten“ Lobbyaktivitäten sehr viel stärker sichtbar. Dies betrifft ebenso die Bedingungen für den Austritts des Vereinigten Königreiches aus der EU. Gerade wegen der Krisensituation war umso bemerkenswerter ein struktureller Fortschritt in der Governance des Rates der Europäischen Union.
Wie in allen von der Pandemie beeinflussten Fragen dürfte sich auch die Interessenvertretung im Mehrebenensystem EU neu justieren. Die Rückführung vom „neuen Normal“ in das „alte Normal“ dürfte gerade in diesem informellen Feld nicht ohne Auswirkung sein. Eine neue Durchlässigkeit zwischen den „Brüsseler und nationalen Blasen“ ist ebenso erwartbar wie eine zunehmende Undurchsichtigkeit. Eine seit ihrem Start ohnehin weniger korporatistisch eingestellte Kommission dürfte angesichts der Mammutaufgaben Pandemiefolgenbekämpfung, Digitalisierung und Klima-Governance-Fragen zur Regelung von Interessenvertretung weniger in den Vordergrund stellen. Auch vom Rat sind während der slowenischen und französischen Ratspräsidentschaft 2021/22 wenig Fortschritte zu erwarten. Und so bleiben viele Fragezeichen für die kommenden Jahre.
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