Heiß, arm und überraschend gastfreundlich war meine letzte Etappe! 2022 war mein erstes Pilgerjahr auf meinem langen Weg von Berlin nach Santiago de Compostela nach der großen Pandemie, die uns alle so in Schach gehalten hatte. Es sollte eine unglaublich heiße Tour durch eine spannende wie arme Gegend im Osten Frankreichs werden, durch die ehemaligen Regionen Lothringen, Champagne nach Burgund, mit schönen historischen Orten wie Neufchâteau, Langres, Marcilly-en-Bassigny oder einem so verwunschenen Ort wie Lamarche. Die Pilgerinfrastruktur war so schlecht wie gastfreundlich die Menschen waren. Und es war heiß, sehr heiß.
- 1684 km seit Berlin auf meinem Weg nach Santiago geschafft
- Ab jetzt fließen die Flüsse ins Mittelmeer
- Meine Etappe bei Komoot und mein Weg auf Instagram
Das größte Problem sollte also das Wassermanagement werden. Bei fast 40 Grad und wenig Wald musste ich täglich 3 Liter in meine Wasserblase füllen, um auszukommen. Genial ist auf der Strecke, dass Leitungswasser unglaublich köstlich ist. Kein Wunder, es ist die Wasserblase des Riesen Nestlé, Eigentümer von Vittel und Contrexéville. Glaubenstechnisch ist die Region sehr stark national von Jean D’Arc geprägt. Kaum eine Kirche hat einen Pilgerstempel, aber immer die streitbare Jungfrau, die mich als Westfalen eher an das histo-kitschige Hermannsdenkmal erinnerte. Übernachten war im südlichen Grand Est ein Problem. Immerhin gab es in Langres eine erste wirkliche Pilgerherberge. Ansonsten musste ich auf Airbnbs, Campingplätze und sogar Mairien zurückgreifen. Aber das schöne am Improvisieren ist der menschliche Kontakt. Herrlich waren die Niederländer:innen und Belgier:innen, die so langsam Grand Est mit Leben erfüllen: durch den Aufkauf von Chateaus und Bauernhöfen. Am Schluss traf ich sogar eine ukrainische Frau wieder, die ich aus der Flüchtlingsunterkunft in Berlin kannte… die Wege des Herrn… Die Strecke von Tour nach Is-sur-Tille (kurz vor Dijon) erinnerte mich landschaftlich an die Paderborner Hochfläche, die ich ebenfalls schon durchpilgerte. Die kurze Strecke durch die Champagne ab Langres war besonders schön, wenn auch fast 40 Kilometer lang.
Tag 1 von Toul nach Chalaines
1423 km seit Berlin…
Erster Tag auf meiner Etappe von Toul nach Dijon. Und es begann gleich mit einer spannenden Zugfahrt. Denn natürlich wartete in Offenburg die grenzüberschreitende Privatbahn nicht auf den Berliner ICE. Nur durch Zufall (und nicht wegen der Bahn-App) wusste ich, dass ich ich nur noch eine Chance hatte: mit der Bahn nach Kehl und dann mit der Tram nach Straßburg. Aber auch so hatte ich über 2 Stunden Verspätung. Toul empfing mich, wie es mich verabschiedet hatte: wunderschön, relaxed und mit erstaunlich vielen Apotheken, was sicher der Altersstruktur der Menschen in der Region entspricht. Das Tourismusbüro war das letzte Mal noch verschlossen und so konnte ich mir meinen Pilgerstempel doch noch ergattern. Kurze Besinnlichkeit in der fantastischen Kathedrale und los ging es nach Chalaines. Ich war schneller unterwegs in einer vom vergangenen Regen recht frischen Gegend. Die Landschaft erinnerte mich an meine Etappe 2018 im Hochstift Paderborn. Viele Grüne Wälder und goldene Getreidefelder in einer Mittelgebirgslandschaft mit kleinen Plateaus. Die Landschaft ist leer und auch die Menschen sind alt. Die Dörfer sind anders als in Deutschland noch nicht verstädtert. Einige Kirchen waren geöffnet. Am schönsten St. Martin in Rigny-Saint-Martin. Leider wieder kein Pilgerstempel. In Chalaines warteten Pascale & Christophe in ihrer tollen Ferme. Sie bestanden darauf, mir in ihrem Wohnzimmer ein Frühstück zu machen. Für Deutsche zählt da nur der Kaffee… Der Rest ist ein schön traditionelles Baguette & köstliche selbstgemachte Marmelade. Ihr Bauernhaus wurde oft umgebaut, aber der Innenraum stammt aus der Zeit von Jean, also aus dem 15. Jahrhundert. Die legendäre Dame wird mich noch oft verfolgen. Letzter Schluck Café, Pilgerstempel, und allez, es ging weiter auf einen langen Weg: 35 km nach #Neufchâteau über den angeblichen Geburtsort von Jean in Domrémy-la-Pucelle.
Tag 2 von Chalaines nach Neufchâteau
1464 km seit Berlin
Pascale machte mir ein hervorragendes Frühstück, dann ging es los in das Land der Jean d‘Arc. Sie war einfach überall und vor allem in Lothringen. Ich sah ihre legendäre Geburtsstätte, ihren Taufort, ihre Erstkommunion und ich traf Alain Olivier von der Ermitage de Bermont, der jeden Samstag an der kleinen Chapelle de Bermont aus den 10. Jahrhundert wacht, als würde Jean immer noch zum Beten in diese Kapelle kommen. Ich hatte somit Glück mit dem Timing. Es gab sogar einen Stempel 🙏. Alain berichtete mir alles. Vom gerechten Krieg bis hin zum Sakrileg der katholischen Kirche. Alles habe Jean vorausgesehen. Alain hatte viel theologischen und historischen Tiefgang. Er schwärmte von Ingrid Bergman, die sich hier für ihren Jean d’Arc Film inspirieren ließ (Joan of Arc (1948). Und auch er war skeptisch wegen der nationalistischen Überhöhung von Jean d’Arc. Aber wahrscheinlich hätte die Nationalheilige den Brexit schon vorweggenommen. Hmm. Ich musste weiter. In Domrémy la Pucelle wartete dann Jean’s vorgebliches Geburtshaus. Das Museum ist modern eingerichtet, aber weniger kritisch zur Heldin. Domrémy war übrigens in Johannas Zeiten an der Grenze zum Heiligen Römischen Reich, dessen Geschichte ich wohl nun endgültig zu Fuß verließ. Nach Alain sah ich dann die „Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche“ Frankreichs. Die Basilique Jean d‘Arc. Ein neogothischer Machtbau, zu Ehren Jeans. Vor der Kirche bereitete sich eine relativ versnobte Hochzeitsgesellschaft vor. Und ich ergatterte mir einen, yeah, Pilgerstempel bei l’abbé Louis Marcel. Damit ich überhaupt nach 39 km einen Schlafplatz fand, bin ich dann nach Neufchâteau gewandert. Mein fantastisches Airbn war an der äußerst pittoresken Place… Jean d’Arc. Neufchâtteau ist recht klein aber sehr ansehnlich. Man merkt, es hatte bessere Zeiten. Ich aß köstliche Crêpes bei l’Amie Lune.
Tag 3 von Neufchâteau nach Contrexéville
1499 km seit Berlin

Gleich neben meinem Airbnb befindet sich die Kirche St. Nicolas. Gleich morgens fand eine Messe statt, die gut besucht war, sogar mit Pfadfindern. Strahlend kam Abbé Louis Marcel auf mich zu. Er konnte sich an mich erinnern von der Basilique her. St. Nicolas tat gut nach dem neogothischem Kitsch. Freundliche Menschen erklärten mir die Architektur und die reichen Schätze. In meiner Bank saß ein alter Herr, der wunderbar Deutsch sprach. Es war Pepe. Abbé Louis übrigens auch, da er in Stuttgart lebte. Wir machten deutschen Smalltalk. Mein Französisch litt entsprechend. Bei wieder bestem Sonnenschein ging es los zur Anschlussstelle Jakobsweg. Es ging zunächst durch das malerische Tal der Mouzon, mit dem Haken, dass ich irgendwann im Wald eine Steilwand meistern musste. Aber immerhin war es schattig. Was folgte war eine lothringische Hochfläche, die nur wenig Abwechslung bot. Immerhin gab es einen guten Wind aus Nordost und viel Sonnencreme. Aber ich hatte ein Wasserproblem. Kein Mensch in den Dörfern, kein Restaurant geöffnet. Rovres-la-chétive bot die Rettung. Ein leckeres öffentliches Brunnenwasser ersetzte mein Chlorwasser aus der Unterkunft. Lothringen wirkt arm und ich fühlte mich immer mehr an Sachsen-Anhalt 2017 erinnert, nur dass die Städte nicht vollsaniert sind. Der Tag bot keinen Pilgerstempel mehr. Aber immerhin taten mir die Füße weniger weh als gestern. Ich erreichte ein weiteres Airbnb im Wasserkurort Contréxeville 💦. Die kleine Schwester von 💦 Vittel, gleich nebenan. Aber dieser Kurort hat wahrlich bessere Zeiten erlebt. Hässliche 80erJahrebauten. Immerhin gab es eine Pizzeria mit einem weiteren Deutschsprachigen. Ein italienischer „Gastarbeiter“ aus Dortmund. Aber mit meiner Gastgeberin Véronique lebte das Französisch wieder auf. Sie bot ein ursprüngliches Airbnb im familiären Ambiente.
Tag 4 von Contrexéville nach Lamarche
1522 km seit Berlin

Véronique machte mir ein wunderbares Frühstück. Ich ließ es mir auf ihrer Veranda gemeinsam mit ihrem süßen Hund noch ein wenig gut gehen, bevor ich meinen Pilgerstempel im Tourismusbüro abholte. Dabei überquerte ich den wohl hässlichsten Minigolfplatz Frankreichs, mitten im Ort. Dann ging es weiter Richtung Lamarche. Auf der Anhöhe über der Stadt feierte ich meine ersten 1.500 Kilometer. Und dann wurde es wieder heiß. In Dombrot le Sec holte ich mir in der Mairie einen Stempel ab, bevor es dann zur schnurgeraden Römerstraße ging. Sie ist beeindruckend wie langweilig wie geteert… Rauf und runter in der Hitze. Und dann kam sie die kleine Oase. Ein für Pilger:innen eingerichtetes Pflanzenzelt. Ich ließ es mir bei Baguette, Käse und Wein gut gehen. Auf dem Weg nach Lamarche, traf ich noch einen freundlichen Bauern, der wegen mir seinen Traktor anhielt, für ein Schwätzchen. Überhaupt sind die Menschen in dieser Gegend äußerst freundlich. Fast immer grüßen sie. Obwohl leicht neben dem Hauptweg ist der Weg nach Lamarche mit der Muschel ausgeschildert. Zurecht, denn der Ort lohnt sich. Die Häuser sind sehr herrschaftlich. Aber auch hier haben sie mal bessere Zeiten erlebt. Viele sind unbewohnt. Lamarche hat ansonsten alles zu bieten, Gastronomie und einen Supermarkt. Aber das Highlight ist C

lair aus Amsterdam und ihr Airbnb in einem alten Adelshaus. Die Unterkunft ist ein Traum. Und alle Pilger:innen sollten sie anstreben. Gemeinsam mit Ihrem Ro hat sie von einer Adelsfamilie erworben und hervorragend stilecht eingerichtet. Ich war sofort von Ihrer Gastfreundschaft begeistert. Wir saßen gleich im Garten und tauchten in Ihr tolles Projekt ein. Mein blaues Zimmer war edel und das beste Zimmer, wenn es da noch Superlative geben kann. Es gab noch weitere Gäste. Felix und Lizzi. Es wurde ein wunderbarer Abend. Felix kochte für alle und wir genossen den Wein im herrschaftlichen Garten. Es wurde spät, sehr spät 🍷 🌙.
Tag 5 von Lamarche zur Ferme Adrien
1554 km seit Berlin
Lamarche und Clairs Schlösschen habe ich ungern verlassen. Aber das herrliche am Pilgern ist, dass wenn alles auf den Rücken gepackt ist, man keinen Grund mehr sieht zurückzukehren. Das Vorne zählt. Es lagen einige Berge vor mir. Wenigstens bewaldet, was die Hitze aushalten ließ. Es ging mittlerweile auf 500 Meter, was seit Berlin Rekord sein dürfte. Weiter erinnert die Landschaft an meine westfälische Heimat. Aber es gibt viel weniger Menschen und auch architektonisch sind die Dörfer zwar alt, aber Feudalismus und Zentralismus haben wenig Vielfalt und bäuerlichen Wohlstand gebracht. Und heute fehlt der Mittelstand, wie fast überall in Frankreich. Ich habe nur eine moderne Fabrik gesehen: in #Bourbonnelesbains, doch Stopp, #Velux ist dänisch…
Die Wege sind meist geteert. Das trockene Gras am Wegesrand half meinen Füßen. Oberhalb von #Serqueux gab es endlich mal eine schöne Wanderraststelle mit tollem Blick. Am Ortsausgang schöpfte ich frisches Wasser in einem noch funktionierendes Badehaus. Herrlich. Bis zum Badeort Bourbonne-les-bains würde es noch mal richtig heiß und staubig. Der Kurort ist recht ansehnlich. Stempel im tollen Hôtel de Ville und #pilgerstempel im Tourismusbüro. Dort zählen sie die Pilger:innen: 65 in diesem Jahr. Der Rest der Tour war relativ viel Berg und Steigung. Vom letzten enorm steilen Anstieg mit 13% hätte es einfach bis zur Ferme Adrien gehen können. Doch irgendwie verpasste ich einen Abzweig und es gab keinen Empfang für mein Komoot… Nach einigen Extrakilometern kam ich dann aber in der Ferme an. Am Abend machte ich dann gar nichts mehr. Ich genoss das alte Bett. Der Gasthof war wieder niederländisch. Erst diesen Januar übernahmen es Eelco & Henriëtte. Sie stiegen in ihrer Heimat aus, wie so viele Niederländer:innen, aber auch Belgier:innen in Lothringen. Übernachten tun hier Urlauber:innen auf dem Weg ans Mittelmeer und wöchentlich 2-3 #pèlerins. Der Bauernhof gehört übrigens einem echten Bauern, im Dorf Coiffy-le-Haut.
Tag 6 von der Ferme Adrien nach Marcilly-en-Bassigny
1577 km seit Berlin
Da ich nur 20 km vor mir hatte, ging ich relativ spät los, wollte aber dennoch vor 17 Uhr bei der Mairie in Marcilly-en-Bassigny sein. Schließlich bot mir das Dorf vorab an, in der Salle de Convivialité zu übernachten. Der Weg war in der Hitze wohltuend waldig. Überhaupt sind die Wälder in Lothringen weniger monoton. Es sind abwechslungsreiche Buchenwälder, keine Fichtenplantagen wie in Deutschland. Der Weg war gut mit der Pilgermuschel ausgeschildert. Nur scheint an einigen Stellen so wenig gewandert zu werden, dass der Weg kaum erkannt werden kann. Auch werden Wanderwege in Lothringen anscheinend wie Römerstraßen gebaut. Drei mal musste ich enorme Steigungen

meistern. Aber vorher kam Chézeaux, wo mich eine freundliche radelnde Damenrunde anhielt und frug, ob ich eine Unterkunft fände. Denn das Problem auf dem Weg nach Langres ist ein Pilgerunterkunftnotstand. Aber ich hatte ja die Mairie in Marcilly. Ich bekam noch Pflaumen geschenkt und musste weiter. Wie mein Reiseführer vorschlug, ließ ich Varennes-sur-Amance rechts liegen. Eine Steigung weniger. Mit einigen Wirrungen im Wald ging es rasch voran. Auf die Chapelle Notre-Dame de Presles habe ich leider verzichtet. Sie wäre eh geschlossen gewesen. Marcilly hat mich dann positiv überrascht.
Weniger ungenutzte Häuser und ein schöner breiter Dorfkern. Nur hatte ich ein Problem: die Mairie war doch glatt im Urlaub. Aber es gab nette Nachbarn, die mir den Maire und sein Team erklärten. Und die Mobilnummern klebten im Fenster der Mairie. Und ich kam glatt beim Bürgermeister Jean-François Koch durch, der sofort zu mir fuhr, um mich in den Gemeindesaal zu lassen. Blindes Vertrauen. Ich bekam den Schlüssel. Die größte Überraschung : es gab das beste Leitungswasser, was ich je getrunken habe. Da ich noch Wein, Salami, Käse hatte, war der Abend gerettet. Merci, M. le Maire Koch! 🙏
Tag 7 von Marcilly-en-Bassigny nach Langres
1600 km seit Berlin

Die Nacht im Gemeindesaal verlief recht gut. Früher als gewohnt brach ich aus dem gastfreundlichen Dorf auf. Ich hatte nur 23 km vor mir. Aber der Tag sollte heißer werden, als zuvor. Das gute Wasser aus dem lothringischem Kalkstein sollte mir helfen. Zunächst ging es an vielen Wegkreuzen vorbei zu einem ersten starken Anstieg, auf den Bochot. Oben schwitzend angekommen hatte ich bald schon eine erste Sicht auf Langres, das majestätisch auf einem Festungsplateau thront. Ich hatte noch einige Dörfer zu meistern um dann zum ersehnten Lac de la Liëz zu kommen. Doch anders als die Karte zeigte, gab es keinen See. Die Trockenheit hat den Stausee auf gefühlt die Hälfte reduziert. Immerhin gab es eine sonst ärgerliche Ufervegetation. Jetzt spendete sie mir Schatten. Die Reste des Sees werden aber dennoch für den

Spaßurlaub mit vielen Niederländer:innen genutzt. Nach einigem zögern, überzeugte mich die kalte Dusche am Strand und ich gönnte mir eine Art Baggerseestunde. Es tat gut, selbst an diesem traurigen See. Ich hatte nur noch 90 min bis Langres. Aber die waren in praller Sonne. Also tauchte ich mein Handtuch in den nahen Kanal Champagne et Bourgogne und stieg wie ein Berber auf den Felsen von Langres. Oben angekommen, machte der Ort einen tollen Eindruck. Viel Pariser Flair m
it einem ersten Geschmack auf den Süden Frankreichs. Ich war in der Südchampagne. Mir scheint, die germanischen Gefilde sind endgültig hinter mir. Nach der beeindruckenden Kathedrale, die einem Heiligen aus Kleinasien geweiht ist, fand ich meine erste echte Pilgerherberge, betreut von der katholischen Gemeinde und natürlich mit #pilgerstempel & Mehrbettzimmern. In Langres kreuzt sich der Weg mit dem Frankenweg (Via Francigena), von England nach Rom. Erstaunlicherweise übernachten hier mehr Rompilger:innen. So hatte ich einen Pilgerbruder aus Newcastle für die Nacht. Aber was mich an Langres neben der Schönheit am meisten beeindruckte ist ihr Sohn Denis Diderot. Das Museum war vom Feinsten. Ich schnupperte ich in die faszinierende Geschichte der Aufklärung. Abends gab es noch bei Wein eine Aussicht auf die Champagne bei Sonnenuntergang auf der Zitadelle.
Tag 8 von Langres nach Auberive
1640 km seit Berlin
Gegen den Strich. Pilger:innen auf dem Weg nach Rom.
Es wurden wirklich 40 km am 8. Tag. Und es war gar nicht so schwer. Aber zunächst hatte ich einen guten Café mit Pilger Jimmy, auf seiner #viafrancigena nach Rom. Er muss das bis Septem

ber schaffen, da er Wegen des Brexit nicht länger in der EU bleiben darf 😳. Später traf ich noch eine Pilgergruppe der Gegend auf dem Weg nach Rom. Sie wanderten wie ich in Etappen. Die Strecke von Langres zum ehemaligen Zisterzienserkloster Auberive ist berüchtigt, da es wieder kaum Unterkünfte gibt. Anders als mein Reiseführer sagte, war der Weg ausgeschildert. Ich nahm nach Vieux Moulins eine gute Abkürzung, die die Kirche mit der von Noidant-le-Rocheu Verband. Die Dörfer wirkten hier reicher als vor Langres. Meist war der Weg wunderschön. Wenn es vorher oft eine karstige Hochfläche war, so wurde es zu einem abwechslungsreichen Sauerland. Malerischer Wald mit vielen Quellen. I
ch lief meist im Schatten. Aber selbst hier gab es bei der Hitze Wasserprobleme. In Perrogney-les-Fontaines musste ich eine Bauernfamilie nach Wasser fragen. Und das verlor ich auch noch, weil ich meine Trinkblase nicht richtig gesteckt hatte. Als ich mein Mittagessen mit leckerem Langre

s 🧀 aß, stoppte ein bretonischer Caravan und fragte sofort, ob ich gekühlten Weißwein dazu trinken möchte… Beim Essen wird man in Frankreich nie allein gelassen. Beschwingt kam ich in Auberive an, wo ich mich im Alternativcampingplatz Chemin de Traverse einquartiert habe. Wieder eine andere Welt. Mit einem Pärchen „très cool“ aus Langres und den Gastgebern konnte ich bei viel lustigem Bier in das kulturelle und politische Seelenleben linksalternativer Menschen der Gegend eintauchen. Irgendwann fiel mir auf: seit Schengen habe ich keinen einzigen Macron-Fan getroffen… Paris ist weit weg…
Tag 9 von Auberive nach Grancey-le-château
1662 km seit Berlin
Nach einem sehr langen Abend wachte ich doch zu früh auf. Aber David machte bald eine richtig große Kanne Kaffee. Ich ließ es ruhig angehen und machte sogar noch einen Ausflug zur Abtei, die von meinem Namensgeber Bernard de Clairveaux gegründet wurde. Sein Geburtsort wird mir noch auf der nächsten Etappe begegnen. Leider war die Abtei noch nicht geöffnet. Aber auch außen war die Anlage gemeinsam mit dem Dorf beeindruckend. In Auberive und seinem Dorfladen merkt man den Tourismus im neuen Parc National de forêts auf dem plateau von Langres und Châtillonnais positiv an. Den Park durfte ich weiter durchstreifen. Die Wege blieben interessant und recht gut ausgeschildert. Eine wahre Perle ist der malerische Ort Vivey mit Schloss und Wasserstelle. Die Dörfer wirken endlich wieder wohlhabend. Auch der weitere Weg war angenehm schattig. Hinter der Ferme de Borgiraut kam endlich Grancey-le-château. Und es ist ein majestätisches Dorf. Mit Festung, Schloss, Kirche und schönen Häusern und Gassen. Es gibt selbst eine allround-Bäckerei. Und die Hochzeit des Jahres. Das ganze Dorf war elegant auf den Beinen, samt Feuerwehr. Schließlich ist der Bräutigam Feuerwehrmann. Die Lamberts kamen gerade vom Gottesdienst und holten mich am malerischen Brunnen ab. Überfreundlich öffnete mir M. Lambert das 🙏 Pfarrzentrum. Ich wusste gar nicht, dass Pilger:innen in Grancey alles geboten wird. Ein ganzes Haus. Dusche. Bezogenes Bett uuund: ein #pilgerstempel! Dann folgte noch eine Einladung zum Abendessen. Aber erst nach dem Champagner mit dem Brautpaar in der nahen Mairie. Sabine war als Lehrerin in Algerien. Es war ein liberales katholisches Paar. Gegen LePen, Macron und… Windräder (die es ohnehin kaum in Frankreich gibt) Natürlich „musste“ ich am nächsten morgen auch frühstücken… Grancy wirkte wie ein französisches „Gillmore girls“. Alle/s zum Verlieben ♥. Bienvenue en Bourgogne ! 🙏 Ab jetzt fließt das Wasser in das Mittelmeer 🤗
Tag 10 von Grancey-le-château nach Is-sur-Tille
1684 km seit Berlin
Ganz ungeplant! Okay, verplant! Es wurde mein letzter Tag auf meiner Tour Richtung Dijon. Nach einem üppigen Frühstück bei den Lamberts und ein Abschiedsfoto ging es los. Es wurde der erste sonnenfreie Tag. Unten im Tal erreichte ich den Jakobsweg, der sich hier vom GR7 trennt. Was folgte waren gute Wanderwege mit einigen schönen Aussichten auf das Tal und die burgundischen Wälder. Meine Wasserblase brauchte ich kaum. Ich vergaß, wie wenig Wasser man normalerweise braucht. Die Orte, die ich durchwanderte waren nett, wenn auch unspektakulär. Ich lief sogar an ein paar Windmühlen vorbei. Es sind solche Éoliens, die auch die Lamberts verhindern wollen. Wenn der böse Präfekt nicht wäre, der nur auf Paris hört. Paris hin Paris her. Nach fast 300 km muss man Éoliens im durchaus windigen Südosten Frankreichs mit der Lupe suchen. Im Wald wurde mir klar, dass ich ein Unterkunftsproblem hatte. Die Pfarrei in Is-sur-Tille hatte doch nicht geantwortet und mein Airbnb hatte ich falsch gebucht. Is und Umgebung ist vollkommen ausgebucht. Ich ging auf Nummer sicher und steuerte den Bahnhof nach Dijon an. #Dijon liegt nicht direkt am Weg, dafür aber genügend Hotels, Geschichte, Kultur und… #pilgerstempel. Außerdem komme ich wider erwarten in die Sonntagsmesse in Notre Dame. Ich werde mich in der richtigen Stadt ausruhen! 2023 geht es also von Is-sur-Tille nach Burgund hinein! Mindestens bis Cluny 🙏🤗👣
Epilog aus Dijon
Ich bin in Burgund angekommen! In der Côte d’Or. In der Hauptstadt #Dijon. Hier fließt nicht nur das Wasser in das Mittelmeer, hier wächst bald auch der Wein (ironischerweise waren die letzten Weinberge meines Weges im saarländischen #Perl). Der Weg führt normalerweise um die Stadt herum. Dijon wurde aber zu meinem Endpunkt meiner Etappe. Ein würdiger Zwischenstopp. Im historisch spannenden Dijon spürt man Lebenslust und durchaus Wohlstand. Alles sehr im Kontrast zu Lothringen. Dijon liegt nicht direkt am Jakobsweg aber natürlich holte ich mir den geliebten #Pilgerstempel in der Kathedrale. Highlight ist natürlich der Palais Ducal. Die Ausstellung macht das beste aus den kunsthistorischen Exponaten und der herzoglichen Landesgeschichte. Man spürt den Stolz auf das Zwischenreich, das auch das heutige und schon damals reiche Benelux und Teile Lothringens umfasste. Insofern sind die vielen Zuwanderer:innen aus Belgien und den Niederlanden gar nicht ahistorisch. Burgund und das Reich Lothars waren nie rein national. Mein ganz persönlich bewegendes Erlebnis ereignete sich in der kleinen unglaublich partikulären Pension Maleteste in der rue Hernoux. Wer den Renaissancecharme nicht zu schätzen weiß und Luxus braucht, schreibt schlechte Bewertungen. Aber nach meiner Wanderung, war kein besserer Ort möglich. Einzelzimmer in der mittelalterlichen Stadt. Das Klo die alte Treppe runter hinter der gallo-römischen Stadtmauer. Die Besitzerin verwaltet nur 3 Betten, für den Rest ist sie in Studien vertieft. Als ich meinen Rucksack wieder aufschnallte und ich ihrer Angestellten ein Trinkgeld geben wollte, kam diese freudig auf mich zu. Ob ich mich nicht erinnern könne? Das unglaubliche war wahr: ich war für sie und ihre Familie die Nachtwache in der Notunterkunft meiner ⛪Gemeinde in Berlin. Ein bewegender Moment des Glücks in Kriegszeiten. Karina ist damals im letzten Moment aus Mariupol geflohen. Ihr und ihrer Familie geht es gut in Dijon. 🙏 Außer ukrainischen Fahnen an Rathäusern spürt man nicht viel vom vom Krieg in Frankreich. Aber Karina gab mir ein traurig-schönes Gefühl zurück, dass wir für die Freiheit in Europa Opfer bringen müssen.
Danke für die tollen Pilgerberichte. Besonders die Bilder und schönen Beschreibungen lassen Erinnerungen wach werden. Ich pilgere von Frankfurt am Main aus in relativ kurzen Etappen Richtung St. Jean Pied de Port. Von dort aus bin ich ebenfalls in Etappen 2011-2015 nach Santiago de Compostela gepilgert. 2022 war die Etappe von Contrexéville nach Langres dran. 2023 geht es im Juli von Langres nach Is-sur-Tille. Buen Camino und Ultreya Marc
Genieße den Weg ab Langres nach Cluny https://www.komoot.de/collection/2055982/-bourgogne-2023 🙂