Der Qatar-Gate-Skandal scheint nun in weiter Ferne, und es wird zunehmend unwahrscheinlicher, dass Eva Kaili in Belgien wegen ihrer mutmaßlichen Verwicklung in den Korruptionsfall vor Gericht gestellt wird. Dennoch hat sich das Integritätssystem im europäischen Gesetzgebungsprozess weiterentwickelt. Obwohl es für viele nicht weit genug geht, bewegt es sich in die richtige Richtung. In zwei Handbuchkapiteln über Lobbying in der Europäischen Union und in meinem jüngsten Jahrbuchartikel Interessenvertretung in der EU habe ich einige Übersichten über den Integritätsrahmen der EU gegeben.
Kategorie: Europapolitik & Europäisierung
Europa ist es immer wieder wert
Europäische Demokratie, Solidarität und Handlungsfähigkeit. Vor dem Sommer konnte ich ein wenig für europapolitische Positionierung der katholischen Kirche in Deutschland zuarbeiten.
#EuroComo-Glaskugel in Adenauers Ferienvilla
Eine Prognose für die EU und Europa im Jahr 2030 und einige Einblicke in die strategische Planung und die Seele der EVP sowie die Erwartungen des Think Tank aus mehr als 15 europäischen Ländern gewünscht? Auf geht’s nach Cadenabbia! Es war mein 12. KAS-Workshop zu europäischen Themen, vulgo #EuroComo, ein großartiger Anlass für Brainstorming und Expertengespräche in der ersten deutschen Kanzlerferien-Villa la Collina am Comer See. Wie immer war die Veranstaltung ein fantastisches Zusammentreffen von Führungskräften, politischen Entscheidungsträgern und Experten, um über die wichtigsten Herausforderungen und Chancen der EU zu diskutieren und Strategien zu entwickeln. Da ich nicht parteigebunden bin und das größte deutsche Netzwerk für EU-Angelegenheiten in Deutschland vertrete, bin ich besonders dankbar, dass ich von Chatham House gesicherte Einblicke in die Europäische Volkspartei und ihre deutschen Mitgliedsparteien CDU und KAS erhalten habe. Sehr demokratisch!
EU-Lobbying in der Pandemie
Interessenvertretung vulgo Lobbying in der EU – mein Beitrag im Jahrbuch der Europäischen Integration 2021: Die Covid-19-Pandemie hat auch auf die intermediäre Einflussnahme von Politik und Gesetzgebung große Auswirkungen. Lobbyismus fand im Berichtzeitraum zu einem großen Teil nicht mehr vor Ort in Brüssel oder den Hauptstädten, sondern telefonisch/digital statt. Gleichzeitig vollzog sich der Legislativprozess außerhalb des üblichen Politikzyklus. Für Gesetzesinitiativen und langfristige Finanzpakete bestand kaum Raum für Konsultationsprozesse.
Dies betraf neben dem Mehrjährigen Finanzrahmen vor allem das Rekord-Wiederaufbauinstrument „Next Generation EU“. Im Umfeld einer klimapolitischen und auch digitalen Dringlichkeit wären in „normalen Zeiten“ Lobbyaktivitäten sehr viel stärker sichtbar. Dies betrifft ebenso die Bedingungen für den Austritts des Vereinigten Königreiches aus der EU. Gerade wegen der Krisensituation war umso bemerkenswerter ein struktureller Fortschritt in der Governance des Rates der Europäischen Union.
EU-Lobbyismus in Coronazeiten – Mein Jahrbuchbeitrag 2020
2020 wurde es unübersichtlich in der europäischen Lobbywelt. Selbstverständlich spielte auch hier die Pandemie eine große Rolle. Ohne Frage wurde auch die äußere Einflussnahme auf die europäische Gesetzgebung von der Jahrhundertaufgabe herausgefordert. Die nur langsam anlaufenden Initiativen der neuen Von-der-Leyen-Kommission wurden von Corona überschattet und endeten mit einem Megahaushalt ungekannten Ausmaßes während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, mit allen Konsequenzen für alle Arten von Gruppen mit Gemeinwohl- und/oder Eigeninteressen. Zudem ist ein Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich in Schnellverfahren abgeschlossen worden, fast ohne Einwirkungsmöglichkeiten der Parlamente und noch weniger von Lobbygruppen. In diesen Tagen erschien mein Artikel im „Jahrbuch der europäischen Integration“ auf Papier, diesmal unter dem neuen Titel „Interessenvertretung“. Redaktionsschluss war leider schon im Sommer 2020.
Das Mittelfeld der Europapolitik framen
Gemeinsam mit Elena Sandmann habe ich das Framing zu Zivilgesellschaft und Lobbyismus in der EU untersucht. Der Beitrag beleuchtet den Zusammenhang zwischen politischer Einflussnahme von Interessengruppen im EU-Gesetzgebungsprozess und pluralistischer Demokratie im europäischen Mehrebenensystem. Dabei geht er der Frage nach, ob (zivil-) gesellschaftliche Interessenvertretung analytisch vom (Wirtschafts-)Lobbyismus unterschieden werden sollte. Zentrale These ist, dass Interessenvertretung nur im Kontext größerer Transparenz aller beteiligten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, staatlichen, gesetzgeberischen und mittelbaren Akteure zu mehr Demokratie und Legitimation im Mehrebenensystem der EU beitragen kann. Read more
Was Europas Demokratie aus-macht…
Wie lässt sich erklären, dass die Demokratie in der Europäischen Union unter solch einem populistischen Druck steht? Was macht Europas Demokratie in Zukunft aus? Antworten fallen schon im normalen Leben nicht leicht. Aber die Hauptrede des Jahres vor Contheodorianer/inne/n meines Gymnasiums zu halten ist dann doch etwas ganz Besonderes. Es wurde ein Vortrag über die demokratische Relevanz Europas aus beruflicher und persönlicher Perspektive. Mein Fazit: seit meinem Abi90 hat sich die Gesellschaft schleichend entdemokratisiert, auch zum Schaden der europäischen Idee.
Mein Vortrag auf dem Theodorianerabend 2017 am Gymnasium Theodorianum in Paderborn
Alles was EU-Recht ist… leider nicht immer nationale Politik
Auf Defizite hinweisen, aber Alarmismus vermeiden. Dies gilt vor allem für das größte Netzwerk für Europapolitik in Deutschland. Das jüngste EuGH-Urteil zur Dublin III-Verordnung ist europarechtlich zu begrüßen, politisch fordert aber die EBD schon seit langem, dass mehr Solidarität in Flüchtlings- und Asylfragen herrschen muss. Dublin III müsse abgeschafft werden, fordern die EBD-Mitgliedsorganisationen schon seit 2015.
Für eine demokratische öffentliche Diplomatie
Es kommt so einiges zusammen dieser Tage. Populismus, Brexit, Nationalismus, Trump, Krise der Freien Welt, immer noch sterbende Flüchtlinge, immer noch Krieg in der Ukraine. Ein mehr als irritierendes EU-Beitrittskandidatenland taucht in der deutschen Öffentlichkeit auf und unter: die Türkei. Im Januar hielt ich auf Einladung der Türkiye Avrupa Birliği Derneği (Europäischen Bewegung Türkei) in Istanbul beim Unternehmerverband TÜSİAD eine Rede zum Populismus in der EU. Na wunderbar, dachte ich, ausgerechnet in der Türkei, in einem mehr als zerrissenem Land mit Notstandsgesetzen und Verfolgungen soll ich über den Anstieg von nationalistischem Populismus in der EU sprechen. Wahr ist, dass es einen europaweiten Trend der Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten gibt. Gleichzeitig gibt es europaweit große Probleme bei der Bekämpfung von Korruption.
Summarising my Istanbul presentation on key indicators for democracy within nation states | red = bad | #TurkeyEU pic.twitter.com/wdHiXproeB
— Bernd ?? Hüttemann (@huettemann) March 1, 2017
Und seit den 80er Jahren gibt es einen fatalen Trend zur Vereinfachung und Effizienz, den sich Populisten und gut ausgebildete Technokraten teilen. Gemeinsam ist ihnen daher auch die Verachtung für langwierige Konsens-Demokratie, ob „Vereinsmeierei“ oder „Schwatzbude Parlament“. Pluralismus ist somit ganz oben auf der Liste der Verachtung von Populisten und Technokraten. Und die komplizierte EU mit jungen demokratischen Ansätzen wird ebenfalls ins Kreuzfeuer von Vertretern beider Denkmuster genommen.
Nun konnte ich in einem Artikel bei Turkish Policy Quarterly meine ersten Thesen vom Januar in meinem Artikel „Tackling Populism in Europe with a new form of public diplomacy“ vertiefen.
Meine Hauptthese: wir müssen uns europaweit und auf allen Ebenen auf die Demokratie im Kleinen und Großen konzentrieren. Und die Diplomatie derjenigen Länder, die eine pluralistisch Demokratie vertreten, muss über Vernetzung und Förderung grenzüberschreitender demokratischer Vereine und Verbände alle Sphären der Demokratie stärken. Denn nur freie agierende Kräfte können einen demokratischen Wettbewerb mit möglichst vielen Akteuren gewährleisten, nicht allein der Staat. Insofern ist die globale Krise der Demokratie auch eine Krise der demokratischen Diplomatie. Eine „Democratic Public Diplomacy“ tut not!
Serbien hat an Reputation gewonnen – mein Interview bei Tanjug
In einem Interview mit der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug betonte ich den langen Reformprozess, den ein EU-Beitritt voraussetze. Aber durch die Flüchtlingskrise habe Serbien sehr an Reputation gewonnen, insbesondere in Deutschland. Die konstruktive serbische Rolle zu Zeiten der Flüchtlingskrise habe sehr positiven Einfluss auf die Wahrnehmung des Beitrittskandidaten.
Auf die sehr serbische Frage, in welchem Maß die russischen Interessen im Beitrittsprozess Serbiens berücksichtigt werden sollten, bat ich darum, die Themen nicht zu vermischen. Serbien sei auf einem klaren europäischen Weg. Die Agenda der EU müsse nicht im erhöhten Maße auf die Interessen anderer Länder Rücksicht nehmen.
Das Interview bei Tanjug auf Englisch
.@huettemann: #SerbiaEU will take longer than 3 years, via @TanjugNews #CSbeyond #EurMove https://t.co/lwoaFePD9O pic.twitter.com/JOU0SdQEMp
— Evropski pokret (@EvropskiPokret) February 29, 2016