Danke, Du bist eine echte Demokratin! Sagen wir nie…

Lille demokrati im Europäischen Jugendzentrum in Straßburg üben 1992 (rechts) – Demokratie bei EBD-Mitgliederversammlung 2024

Hand aufs Herz: Wann haben wir zuletzt zu einer Nachbarin oder einem Kollegen gesagt: „Danke, Du bist ein echter Demokrat!“? Vermutlich selten. Oder wann hat uns zuletzt jemand für unsere Konsens- und Kompromissfähigkeit im Alltag gelobt, vielleicht mit den Worten: „Ich mag dich, du bist eine echte Demokratin!“ Stattdessen wird oft bloßes Engagement gewürdigt – wofür wir natürlich dankbar sind. Aber reicht das? Nein, häufig hinterlässt es eher ein Gefühl von Unbehagen, Unzufriedenheit oder sogar Wut. Danke für nichts?

Mein Editorial im Scheinwerfer Das Magazin gegen Korruption 104/2024

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Herbst in der europäischen Lobby

Der Qatar-Gate-Skandal scheint nun in weiter Ferne, und es wird zunehmend unwahrscheinlicher, dass Eva Kaili in Belgien wegen ihrer mutmaßlichen Verwicklung in den Korruptionsfall vor Gericht gestellt wird. Dennoch hat sich das Integritätssystem im europäischen Gesetzgebungsprozess weiterentwickelt. Obwohl es für viele nicht weit genug geht, bewegt es sich in die richtige Richtung. In zwei Handbuchkapiteln über Lobbying in der Europäischen Union und in meinem jüngsten Jahrbuchartikel Interessenvertretung in der EU habe ich einige Übersichten über den Integritätsrahmen der EU gegeben.

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Korruptionsbekämpfung in Europa – die EU ist nicht gut genug, aber oft besser als die Nationalsstaaten…

IEP Berlin
Jahrbuch der Europäischen Integration – Institut für Europäische Politik e.V.

Es hätte ein Jahr der Konsolidierung für die Infrastruktur für Interessenvertretung in der Europäischen Union werden können. Seit zwei Jahren legen erstmals alle Gesetzgebungsorgane externe Einflussnahme offen. Mehr und mehr Mitgliedstaaten folgen dem europäischen Vorbild zur Registrierung und Einordnung von Lobbyinteressen.  Aber es wurde das Jahr umfassender Ermittlungen gegen Vorteilsnahme im Umfeld des Europäischen Parlamentes (EP), unter dem Schlagwort „Katargate“. Die Reaktion von Europäischem Parlament und Kommission wirkt ein Jahr vor der Europawahl bemüht wie hilflos. Immerhin wird die Rolle von Drittstaaten auch über Russland und China hinaus intensiver beleuchtet (bei Transparency International Deutschland beleuchtet unter: Strategische Korruption), während die Covid-19-Pandemie der letzten Jahre und ihre Auswirkung auf Lobbyismus weit zurückzuliegen scheint.  Transparenz in der Gesetzgebung ist keine ausschließliche Frage der Korruptionsbekämpfung oder der Fairness im Lobbying unterschiedlichster Gruppen gegenüber EU-Gesetzgeber:innen. Das gesamte Integritätssystem von Interessenvertretung und Gesetzgebungsorganen im Mehrebenensystem steht ein Jahr vor der Europawahl demokratierelevant auf dem Prüfstand. Die Einbindung des Rates in das System war ein erster nicht zu unterschätzender Schritt. Aber verstärkte transparente Rechenschaftspflichten der Mitgliedstaaten sind selbst in der belgischen EU-Ratspräsidentschaft 2024 nicht zu erwarten. Es gibt nur zaghafte Ideen für einen allumfassenden „Lobbyact“, der alle Aspekte der für Demokratie notwendigen transparenten Interessenvertretung mit Korruptionsbekämpfung unter einheitlichen Ethikregeln europäisch wie national sinnvoll miteinander verbindet. Ein Mehrebenen-Lobbyregister ist trotz zunehmender Angleichung der Regeln in EU und Mitgliedstaaten Zukunftsmusik. Derweil wird legitimer notwendiger Lobbyismus ab 2024 einen Gang zurückschalten, da der EU-Gesetzgebungsprozesses am Ende des Politikzyklus steht. Mein Artikel „Interessenvertretung 2023“ erscheint Ende des Jahres hier: https://iep-berlin.de/de/projekte/zukunft-der-europaischen-integration/jahrbuch/ 

Lobbyismus in der EU und auf Holz…

„Lobbyismus in der EU“ ist meist ein sehr einseitiges Thema. Für viele kommt alles Böse über Lobbyismus aus Brüssel. Eine toxische Kombination, fürwahr. Im längst überfälligen Handbuch für Lobbyismus von Andreas Polk und Karsten Mause bekam ich dankenswerterweise Platz, das Thema Lobbyismus in Mehrebenensystem der EU ganz ohne Schaum vor dem Mund darlegen zu können.  Nun ist sogar die 

Holzausgabe der längst digital verfügbaren Seiten erhältlich. Mit tollen Kapiteln toller Autor:innen. Alles an einem Ort, mit viel Tiefgang. Und es ist schön, ein dickes Buch in den Händen zu halten. Ich liebe Bücher. Bei der Entstehung des Werkes war ich enorm beindruckt von der Unterstützung von Andreas Polk und Karsten Mause. Aber es kam (wohl nicht nur bei mir) großer Frust über mangelnde Unterstützung durch den Verlag auf.

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Lobbyismus in Berlin und Brüssel – mein Proseminar 2022

Lobbyismus im Krieg, in einer Pandemie… ernsthaft? Mein erstes Proseminar in Präsenz findet diesmal in Passau und Berlin statt. Raum für Orientierung, wie Lobbyismus im Mehrebenensystem auch in extremen Zeiten der Anspannung und Gefährdung funktioniert. Im Fokus steht die Berliner Rolle im EU-Lobbyismus. Im Maschinenraum deutscher Europapolitik findet natürlich Interessenausgleich statt. Extrembeispiel ist das massive und erfolgreiche Lobbying russischer Staatskonzerne auf deutsche Energiepolitik trotz Widerstände in Brüssel und anderen Hauptstädten. Gleichzeitig hat der Bundestag auf öffentlichen Druck die Regulierung von Lobbyismus in Angriff genommen, nach EU-Vorbild. Wie weit wird die Europäisierung von Interessensausgleich und Gesetzgebung noch fortschreiten? All dies versuchen die Studierenden mit mir im Proseminar EU-Lobbyismus in Berlin und Brüssel auf Grundlage von Theorien und empirischer Forschung zu lösen.

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EU-Lobbying in der Pandemie

Interessenvertretung vulgo Lobbying in der EU – mein Beitrag im Jahrbuch der Europäischen Integration 2021: Die Covid-19-Pandemie hat auch auf die intermediäre Einflussnahme von Politik und Gesetzgebung große Auswirkungen. Lobbyismus fand im Berichtzeitraum zu einem großen Teil nicht mehr vor Ort in Brüssel oder den Hauptstädten, sondern telefonisch/digital statt. Gleichzeitig vollzog sich der Legislativprozess außerhalb des üblichen Politikzyklus. Für Gesetzesinitiativen und langfristige Finanzpakete bestand kaum Raum für Konsultationsprozesse.

Dies betraf neben dem Mehrjährigen Finanzrahmen vor allem das Rekord-Wiederaufbauinstrument „Next Generation EU“.  Im Umfeld einer klimapolitischen und auch digitalen Dringlichkeit wären in „normalen Zeiten“ Lobbyaktivitäten sehr viel stärker sichtbar. Dies betrifft ebenso die Bedingungen für den Austritts des Vereinigten Königreiches aus der EU. Gerade wegen der Krisensituation war umso bemerkenswerter ein struktureller Fortschritt in der Governance des Rates der Europäischen Union.

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EU-Lobbyismus in Coronazeiten – Mein Jahrbuchbeitrag 2020

2020 wurde es unübersichtlich in der europäischen Lobbywelt. Selbstverständlich spielte auch hier die Pandemie eine große Rolle. Ohne Frage wurde auch die äußere Einflussnahme auf die europäische Gesetzgebung von der Jahrhundertaufgabe herausgefordert. Die nur langsam anlaufenden Initiativen der neuen Von-der-Leyen-Kommission wurden von Corona überschattet und endeten mit einem Megahaushalt ungekannten Ausmaßes während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, mit allen Konsequenzen für alle Arten von Gruppen mit Gemeinwohl- und/oder Eigeninteressen. Zudem ist ein Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich in Schnellverfahren abgeschlossen worden, fast ohne Einwirkungsmöglichkeiten der Parlamente und noch weniger von Lobbygruppen. In diesen Tagen erschien mein Artikel im „Jahrbuch der europäischen Integration“ auf Papier, diesmal unter dem neuen Titel „Interessenvertretung“. Redaktionsschluss war leider schon im Sommer 2020.

 

Das Mittelfeld der Europapolitik framen

Gemeinsam mit Elena Sandmann habe ich das Framing zu Zivilgesellschaft und Lobbyismus in der EU untersucht. Der Beitrag beleuchtet den Zusammenhang zwischen politischer Einflussnahme von Interessengruppen im EU-Gesetzgebungsprozess und pluralistischer Demokratie im europäischen Mehrebenensystem. Dabei geht er der Frage nach, ob (zivil-) gesellschaftliche Interessenvertretung analytisch vom (Wirtschafts-)Lobbyismus unterschieden werden sollte. Zentrale These ist, dass Interessenvertretung nur im Kontext größerer Transparenz aller beteiligten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, staatlichen, gesetzgeberischen und mittelbaren Akteure zu mehr Demokratie und Legitimation im Mehrebenensystem der EU beitragen kann. Read more

Lobbyismus in der partizipativen EU-Demokratie

2 Jahre gab es keine Übersicht zu Lobbyismus im Jahrbuch der Europäischen Integration. Nun durfte ich in der neuesten Ausgabe des seit 1980 erscheinenden Standardwerks diese Lücke stopfen. Alles fein säuberlich auf Papier gedruckt, für Blogs leider nicht geeignet.

Ein paar Auszüge mag der Verlag verzeihen: „Lobbyismus ist integraler Bestandteil jedes politischen Systems, so auch des Mehrebenensystems EU. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist er Teil der konstitutionellen Ordnung. In den letzten Jahren musste sich Lobbyismus einer erweiterten Gesetzgebung bei vergrößerter Akteurslandschaft und Parlamentarisierung, aber auch neuen Instrumenten wie dem Transparenz-Register und Verhaltenskodizes stellen. Um alle Aspekte des Lobbyismus erfassen zu können, wird der Begriff hier neutral verwendet. Nur so kann gesellschaftliche bzw. nichtprofitorientierte und wirtschaftliche bzw. profitorientierte Einflussnahme auf staatliche bzw. institutionelle Akteure gewichtet und bewertet werden.“

Ich hatte zwei zusätzliche Seiten, um in das Thema, das in der Europawissenschaft noch immer recht stiefmütterlich behandelt wird, ausführlicher einzuführen.

EU-Lobbyismus ist nur im gesellschaftlichen Kontext der Nationalstaaten zu verstehen. Pluralismus, Korporatismus, Etatismus und politische Netzwerke bieten oft vernachlässigte Orientierungsmodelle auch im Mehrebenensystem. Die oft berechtigte Kritik an EU-Lobbyismus greift mit der simplen Sicht auf Brüssel zu kurz. Nationale „Heimatfronten“ haben einen großen Einfluss. Sie funktionieren höchst unterschiedlich, bestimmen aber die Entscheidungsfindung in der Brüsseler Arena auch kulturell mit.

Die neue konstitutionelle Ordnung des Lissabon-Vertrages ging mit dem Postulat für eine bürgernahe EU einher. Die erste erfolgreiche Bürgerinitiative (Right to Water) und selbst die erste Subsidiaritätsrüge (Monti-II) sind aber Erfolge von lobbistisch tätigen Gruppen und nicht von „einfachen Bürgern“.

„Die neuen Spielregeln des Lissabon-Vertrags werden langsam sichtbar bzw. beginnen zu wirken. Kodizes und Register machen deutlich, wie komplex das Abwägen von Interessen durch Abgeordnete und Beamte im Verbund mit Lobbyismus in der Öffentlichkeit geworden ist. Dabei ist eine allgemeine anerkannte Interpretation des Art. 11 EUV als Lobby- und Transparenz-Artikel noch nicht festzustellen. Im Gegenteil: Die Inflation von informellen Trilogen schuf jüngst selbst für professionelle Lobbyisten weniger Transparenz. Aber die nun parlamentarisch getragene Kommission Juncker kann zu einer verbesserten Governance auch in Bezug auf Lobbyismus und Partizipation führen.“

  • Lobbyismus in der partizipativen Demokratie, in: Werner Weidenfeld / Wolfgang Wessels (Hg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2014, Nomos-Verlag, Baden-Baden 2014, S. 383-388.

Erklär mir einer Brüssel in Berlin

Eine Woche vor der Mitgliederversammlung meines Arbeitgebers Europäische Bewegung Deutschland stellt der Berliner Tagesspiegel in seiner Hauptstadt-Beilage „Agenda“ die Arbeit des Netzwerks und meinen Job in der Rubrik „in der Lobby“ ausführlich vor. Besonders freut mich die Brücke von Berlin zu meiner Uni in Passau. Auch selten: Interessenvertretung und europäische Integration wird gleichermaßen neutral dargestellt. Nicht der Raum sondern der Inhalt braucht Kritik. Den gesamten Artikel gibt es als E-Paper ooooder bei Twitter:

Der Tagesspiegel „Agenda“ bringt , das „Journal für Politik in der Bundeshauptstadt“ jeweils dienstags in den Sitzungswochen des Bundestages heraus, in Kürze sind wöchentliche Agenda-Seiten mit Hintergrundberichten aus der Berliner Politikszene geplant. Laut Leseranalyse 2013 hat der Tagesspiegel eine tägliche Verbreitung von 284 000 Lesern und ist nach (nach eigenen Angaben mit 54 % Leserschaft unter den Entscheidern in Politik und Wirtschaft das „Leitmedium der Haupstadt“.