Danke, Du bist eine echte Demokratin! Sagen wir nie…

Lille demokrati im Europäischen Jugendzentrum in Straßburg üben 1992 (rechts) – Demokratie bei EBD-Mitgliederversammlung 2024

Hand aufs Herz: Wann haben wir zuletzt zu einer Nachbarin oder einem Kollegen gesagt: „Danke, Du bist ein echter Demokrat!“? Vermutlich selten. Oder wann hat uns zuletzt jemand für unsere Konsens- und Kompromissfähigkeit im Alltag gelobt, vielleicht mit den Worten: „Ich mag dich, du bist eine echte Demokratin!“ Stattdessen wird oft bloßes Engagement gewürdigt – wofür wir natürlich dankbar sind. Aber reicht das? Nein, häufig hinterlässt es eher ein Gefühl von Unbehagen, Unzufriedenheit oder sogar Wut. Danke für nichts?

Mein Editorial im Scheinwerfer Das Magazin gegen Korruption 104/2024

Unser ehrenamtliches Engagement wird zu Recht geschätzt. Doch Lob von „professioneller“ Seite erfolgt selten für echte Verantwortungsübernahme. Häufig empfinden Hauptamtliche und Staatsbedienstete – also jene, die für ihr Engagement bezahlt werden – die Ansprüche Ehrenamtlicher, politisch wirksam zu sein, eher als störend. Wie oft habe ich von Beamtinnen im Staatsdienst und Funktionären in Vereinen gehört: „Es ist mir egal, wer unter (sic!) mir Vorstand oder Ministerin ist.“ Das zeigt viel über ihr Demokratieverständnis: Für viele Professionelle bedeutet Demokratie „wählen, aber uns machen lassen.“

Die Expertise bei Transparency International Deutschland beeindruckt mich immer wieder. Unsere Organisation ist ein demokratisches Gesamtkunstwerk, in dem Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam für das Gemeinwohl wirken und Verantwortung teilen. Repräsentative Demokratie ist im Verein genauso wichtig wie im Staat. Wenn Bismarck das Parlament als „Schwatzbude“ abtat, dürfen wir nicht zulassen, dass Vereinsdemokratie als „Vereinsmeierei“ abgewertet wird.

In Dänemark spricht man von „Lille Demokrati“ – Demokratie im Kleinen. Sie lebt in alltäglicher Verantwortung, sei es in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz oder bei der Klassensprecherwahl. Demokratie ist keine reine Staatsaufgabe; sie beginnt im Kleinen. Transparency Deutschland setzt sich dafür ein, dass neben einem stabilen Rechtsrahmen auch Pluralismus und konstruktiver Lobbyismus als Korrektive gegen Korruption und Ungerechtigkeit wirken.

Mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar wird deutlich, wie wichtig der Schutz demokratischer Werte bleibt. In Deutschland und Europa muss eine pluralistische Demokratie den Meinungswettbewerb fördern und gleichzeitig die Rechtsstaatlichkeit wahren. Angesichts globaler Spannungen könnte die kommende US-Administration unter Donald Trump den Konsens in Europa durch „strategische Korruption“ herausfordern. Wenn demokratische Prinzipien im Alltag und im Kleinen verankert sind, wird Europa widerstandsfähiger gegenüber autoritären Einflüssen – auch von außen.

Die Zeit um den Jahreswechsel ist ein guter Moment, innezuhalten und sich auf die Werte von Gemeinschaft und Zusammenhalt zu besinnen – ob aus christlicher Motivation oder einfach aus Menschlichkeit. Demokratie im Kleinen und die Verantwortung füreinander sind entscheidend für ein erfolgreiches 2025.

In diesem Sinne: Fürchtet Euch nicht! Segnen wir einander häufiger mit dem Lob: „Du handelst demokratisch!“ Mut!

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