2024 über 300 Kilometer Inspiration: #berndscamino 👣 2.372 km seit Berlin
300 Kilometer lagen zwischen Saint-Étienne und Conques. 2024 führte mich #berndscamino über einsame Plateaus und Vulkanlandschaften des Zentralmassivs, durch malerische Dörfer und zu christlichen Stätten des Weltkulturerbes. Meinen Weg nach Santiago hatte ich 2023 auf dem wenig frequentierten #lechemindesallemands in der Nähe von Saint-Étienne beendet. Hier setzte ich 2024 wieder an. Es dauerte noch einige Tage, bis ich das Pilgerzentrum Le Puy-en-Velay erreichte, den beeindruckenden Ausgangspunkt der #viapodeniensis. Dies ist der Weg, den Pilger:innen aus Süddeutschland und der Schweiz traditionell wählen.
Mein Weg war geprägt von herzlicher Gastfreundschaft und unerwarteten Höhepunkten wie dem charmanten Montarcher. Bis Le Puy war noch einiges an Improvisation nötig: Dank der Unterstützung der Association Rhône-Alpes des amis de Saint-Jacques de Compostelle konnte ich private Gastgeber:innen finden – dennoch blieb es eine Herausforderung. Ab Le Puy änderte sich vieles, und ich bekam erstmals einen Eindruck davon, was es bedeutet, nicht mehr allein zu pilgern. Die spirituelle Pilgermesse in der Kathedrale von Le Puy, mit ihrer typisch katholisch-theatralischen Inszenierung, markierte den symbolischen Startpunkt für viele Pilger:innen. Die anschließende wilde Schönheit des Aubrac überraschte mich mit ihren historischen, spirituellen Orten und den touristisch ausgeschlachteten Legenden der Bestie von Gévaudan.
Meine diesjährigen 300 Kilometer gipfelten in einem großartigen Finale in Conques: Die Klosterkirche Sainte-Foy, einer der schönsten Pilgerorte Frankreichs, bildete den Höhepunkt meiner Reise. Bis dahin war jeder Tag einzigartig – voller Natur, Kultur und inspirierender Begegnungen mit beeindruckenden Mitpilger:innen, einfachen Wander:innen und warmherzigen Gastgeber:innen.
Kurz gesagt: C’était un rêve pèlerin, Bernd. 🙏👣
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Prolog: Saint-Étienne!
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Die wunderbare Isabelle war bereits zum zweiten Mal meine großartige europäische Gastgeberin. Nachdem Saint-Étienne 2023 mein Endpunkt war, wurde es 2024 der Ausgangspunkt meines neuen Abenteuers. Doch alles begann mit einer großen Unsicherheit: Aufgrund des enormen Unwetters Tempête Leslie war die Bahnstrecke sowie sogar die Autobahn zwischen Lyon und Saint-Étienne für mehrere Tage unterbrochen.
Nach erstaunlich pünktlichen 13 Stunden im ICE und TGV bis Lyon musste ich einen Umweg über Roanne nehmen – eine Stadt, in deren Bergen ich 2023 um 8 Uhr morgens eine unvergessliche Weinprobe genießen konnte 🍷. Zwei Stunden später empfing mich Isabelle schließlich am Bahnhof von Saint-Étienne. Gemeinsam mit Wim, dem coolsten Flamen der Stadt, entführte sie mich ins L’Escargot d’Or zu meinen allerersten 🐌 – Schnecken! 👀
Das Département Loire (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Loire_(Département)) bleibt beeindruckend, geprägt von überaus freundlichen Menschen. Es zeigt sich zweigeteilt: auf der einen Seite das ärmere Saint-Étienne, das noch immer mit seiner industriellen Vergangenheit kämpft, und auf der anderen Seite das wohlhabendere Umland. Die #Auvergne, in der das Département liegt, bleibt zwar fern aller Grenzen, präsentiert sich aber wunderbar europäisch.
Besonders inspirierend war die Begegnung mit der neuen Sektion des Mouvement Européen Loire. Anders als das Netzwerk EBD fungiert sie als eine Art französische Europa-Union. Marthe-Claire, die engagierte Vorsitzende, ist beeindruckend! In intensiven Diskussionen tauschten wir uns über die Europapolitik in Deutschland und Frankreich sowie meinen Job aus. Anschließend erhielt ich eine private Führung zur Quelle des leckersten Wassers Europas: der Source Badoit.
Am nächsten Morgen brachte mich Isabelle noch zum TER-Bus, der mich nach Saint-Georges-Haute-Ville, dem offiziellen 👣 Ausgangspunkt meines Weges, brachte.
Au revoir Loire & merci pour une grande hospitalité! 🙏
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Tag 1: von Saint-Georges-Haute-Ville nach La Chapelle-en-Lafaye
2109 km done since Berlin
Nach zwei Tagen in Saint-Étienne ging es endlich los – bei strahlendem Wetter nach dem Sturm. Die wunderschönen Mittelgebirgslandschaften des Massif Central führten mich durch romantische Dörfer aus dunklem Vulkanstein und herbstlich gefärbte Wälder. Zu den Highlights zählten ein sonniger Flohmarkt in Margerie-Chantagret, die malerische „Römerbrücke“ bei Le Pont Loire und mein erster Pilgerstempel, den ich in Marols erhielt.
In La Chapelle-en-Lafaye bot mir die herzliche Gastgeberin Nelly eine kleine, perfekt ausgestattete Hütte an – ein wunderbarer Abschluss eines matschigen, aber sonnigen Tages. 🙏👣
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Endlich ging es wieder los! Nach zwei Tagen in Saint-Étienne startete ich genau dort, wo ich letztes Jahr aufgehört hatte. Überraschung: Nach dem großen Sturm zeigte sich plötzlich strahlendes Wetter. Das Massif Central ist zwar immer noch nicht massiv, aber die Mittelgebirgslandschaften waren genauso beeindruckend wie zuvor. Im sonnigen Herbstwald fühlte ich mich sofort wohl. Die Wege waren zwar noch matschig, aber in den Mischwäldern dennoch angenehm zu laufen. Die Dörfer, oft aus dunklem Vulkanstein gebaut, wirkten wohlhabend und romantisch. Fast jedes Dorf bot entweder einen kleinen Laden oder eine Gaststätte – eine willkommene Abwechslung.
In Margerie-Chantagret stieß ich auf einen sonnigen Flohmarkt, der eine lebendige Atmosphäre ausstrahlte. Bei Le Pont Loire entdeckte ich eine sogenannte „Römerbrücke“, die – ob römisch oder nicht – einfach wunderschön war. Das Highlight war jedoch Marols, wo ich meinen ersten Pilgerstempel erhielt. Der Ort hatte einen recht touristischen Charme, mit einer Herberge, einem Restaurant, einem Café und mehreren Schmuckläden. Besonders beeindruckte mich die burgähnliche Kirche, in der ich länger verweilte. Hier begegnete ich auch meinem ersten Pilgerpärchen seit 2000 Kilometern – leider sprachen sie kaum ein freundliches Wort, was ein wenig enttäuschend war.
Im Mittelgebirge erwartete mich eine steile Steigung, die durch den Schlamm erschwert wurde. Doch die sonnigen Abschnitte machten die Anstrengung mehr als wett. Ich legte an diesem Tag nicht allzu viele Kilometer zurück und erreichte schließlich La Chapelle-la-Faye. Der Ort hat sich sichtbar viel Mühe gegeben, Pilgern gute Unterkünfte zu bieten. Es gab eine große Gîte d’Hôte und eine kleine Hütte, die mir unerwartet von meiner Gastgeberin Nelly von der Mairie angeboten wurde.
Nelly war unglaublich freundlich und gastfreundlich. Ich bin weiterhin begeistert vom französischen „Mairie“-System: Selbst am Sonntag war Nelly für Pilger:innen erreichbar und bot ihre Unterstützung an. Wir machten sogar gegenseitig Fotos zur Werbung für ihre Angebote.
Was für eine tolle Herberge! Für nur 24 € und mit einer voll ausgestatteten Küche konnte ich bereits abends meinen Kaffee für den nächsten Morgen vorbereiten. Nelly bot sogar Lebensmittel an – einfach großartig! 🙏 😴
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Tag 2: von La Chapelle-en-Lafaye nach Chomelix
2142 km seit Berlin 👣
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Der Tag begann wunderbar. Ein guter Kaffee in „meiner“ Hütte und ein kurzer Plausch mit der Nachbarin über das schöne Wetter setzten die richtige Stimmung. Zur strahlenden Sonne gesellte sich ein angenehmer Herbstwind. Eigentlich wollte mein Komoot den Berg umgehen, aber ein Pilgerweg bleibt ein Pilgerweg. Was mich dann erwartete, war atemberaubend: Montarcher, hoch oben gelegen, war kein gewöhnliches Minidorf mit einer Pilgerstempel-Mairie. Es war ein wunderschönes mittelalterliches „bel vue“ und ein absoluter Höhepunkt meiner Reise. Die Kirche L’église de l’Assomption de la Vierge war ideal für ein spirituelles Innehalten. Der Name „Himmelfahrtskirche“ passte perfekt, denn sie bot einen fantastischen Blick auf den Himmel und die Voralpen.
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Beschwingt ging es den Berg hinab, vorbei an sonnigen Wiesen, die an eine Parklandschaft erinnerten. Asphaltstraßen wechselten sich mit angenehmen Wanderwegen ab. Einige kleine Steigungen waren nur wegen des Schlamms der letzten Regenwoche etwas anstrengend. Der Boden war stellenweise sandig, und Maisfelder sorgten für eine unerwartete Abwechslung.
Das einzige wirkliche Städtchen auf meinem Weg war Usson-en-Forez. Doch die Atmosphäre war wegen des französischen Montags und einer Trauerfeier eher gedrückt. Dennoch bekam ich dort meinen zweiten Pilgerstempel.
Nach der Brücke von Pontempeyrat wechselte ich ins Département Haute-Loire. Der Ort war zweigeteilt und wirkte etwas trostlos. Die Herberge stand zum Verkauf, und die Kirche war – zum ersten Mal auf meiner Reise – verschlossen. Hier begegnete ich zum vierten Mal dem unfreundlichen Pilgerpaar, das sich in einer etwas schmuddeligen Bäckerei mit Heavy-Metal-Musik eine Pause gönnte.
Der Weg nach Chomelix war eher unspektakulär. Meine Füße wurden schwer, und es begann langsam zu dämmern. Zum Glück erreichte ich rechtzeitig das Haus von Martine und Serge, die in ihrem liebevoll umgebauten Bauernhaus leben und ein wunderbares Pilgerzimmer haben. Sie verwöhnten mich mit echter französischer Hausmannskost: Tête de Veau Gribiche. Oh là là!
Martine und Serge schwärmten von ihren internationalen Gästen, gaben mir viele Tipps zur Region und waren sichtlich stolz auf ihre Gastfreundschaft. Es war ein perfekter Abschluss eines langen Tages.
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Tag 3: von Chomelix nach St. Paulien
2160 km seit Berlin 👣
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Seit Trier laufe ich den Chemin des Allemands und zuletzt auch die Via Cluniacensis. Mittlerweile habe ich ein völlig unbekanntes, aber faszinierend ruhiges Frankreich kennen und lieben gelernt. Heute bin ich im Département Haute-Loire angekommen, immer noch in der Auvergne. Martine und Serge haben mich herzlich in Chomelix verabschiedet – es könnten die letzten privaten Gastgeber auf meinem Weg gewesen sein, was ich sehr vermissen werde. Besonders schön: Auch eine andere Pilgerin, bekannt als @berghuettenfee, war hier vor einer Woche ein gern gesehener Gast. Wir kennen uns zwar nicht persönlich, bleiben aber auf diesem Weg digital verbunden. 👣👀
Heute war mein erster Regentag seit vielen Pilgerjahren! Auf der D135 störte mich das wenig, und auch auf dem sandigen Kiefernbergrücken war das Wetter angenehm frisch und grau. Der kurze Weg nach Saint-Paulien führte durch wunderschöne Täler und über Bergrücken mit herrlichen Ausblicken. Besonders die Landschaft nach dem Dorf der Templer Montredon erinnerte mich stark an das Sauerland. Der graue Himmel mit leichtem Nieselregen vervollständigte das Bild von Westfalen – in Frankreich.
Ein interessantes Detail, das mir schon länger auffällt: Außerhalb der früheren Gebiete des Heiligen Römischen Reiches gibt es kaum kleinere Schlösser. Hier, in einer Region, die seit langer Zeit keinen Krieg erlebt hat, wird dies besonders deutlich – auch wenn der Schatten des vom Deutschen gegründeten Vichy-Regimes in der Geschichte liegt.
Schließlich erblickte ich Saint-Paulien. Selbst bei grauem Wetter wirkte die Stadt beeindruckend, eingerahmt von den Vulkanbergen des Velay im Hintergrund. Das Städtchen selbst ist unaufgeregt und sympathisch, leidet jedoch wie viele europäische Orte unter geschäftlichen Leerständen. Der Einfluss des Autos, das die Menschen in Neubaugebiete auf die grüne Wiese zieht, lässt kleine Ortskerne sterben.
Ich fand Unterkunft im authentischen „Hotel Voyageur“, wo ich endlich meine Wäsche waschen konnte. Im nahegelegenen Intermarché deckte ich mich mit den Köstlichkeiten der Auvergne ein und genoss einen entspannten Abend.
Morgen endet der Chemin des Allemands. Nach Trier und Langres wartet ein noch größeres Pilgerzentrum auf mich: das beeindruckende Le Puy-en-Velay, der Ausgangspunkt der Via Podiensis.
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Tag 4 von Saint Paulien nach Le Puy-en-Velay
2157 km seit Berlin
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Das graue Herbstwetter passte zur wenig einladenden Region hinter Saint-Paulien. Es war ein recht unschöner Weg, doch das störte mich nicht, denn ab Le Puy-en-Velay soll die Sonne wieder scheinen. Der Tag begann perfekt beim Friseur „Coiffeur Memphis“, einem großartigen Barber, der meinen Kopf stylte. Mit meiner neuen, aerodynamischen Frisur fühlte ich mich direkt schneller auf meinem Weg nach Santiago.
Nach den Gewerbegebieten bei Nolhac wanderte ich durch eine hügelige Waldlandschaft, doch der Matsch machte die Orientierung zeitweise schwierig.
In Bilhac erwartete mich eine süße Streichelhündin 🐶. Sie schien Pilger:innen schon seit Jahren zu kennen – und wusste genau, wie sie mit ihrer charmanten Art alle für sich gewinnen konnte. Ein Moment voller Hundeliebe ❤️🐶❤️, der nur von meiner unerschütterlichen Dackelliebe übertroffen wird. 🤗
Je näher ich Le Puy-en-Velay kam, desto mehr Vulkanberge tauchten am Horizont auf. Besonders beeindruckend war der imposante Burgberg von Polignac, dessen Aufstieg sich definitiv lohnte.
Le Puy selbst, eine katholische Hochburg und Ausgangspunkt der Via Podiensis, stellte mich vor eine letzte Herausforderung: die verwinkelte Altstadt. Ich verirrte mich ein wenig, bevor ich schließlich meine Herberge, das Grand Séminaire, erreichte. Dort waren nur wenige Pilger untergebracht, was die riesige Anlage zu einem wunderbar ruhigen Ort machte. Mein Zimmer bot einen traumhaften Blick auf die Kathedrale – eine herrliche Belohnung nach einem anstrengenden Tag.
Am Nachmittag nutzte ich die Gelegenheit, die beeindruckende Kirche Saint-Michel d’Aiguilhe zu besichtigen. Sie thront spektakulär auf einem Vulkanfelsen und bot eine fantastische Aussicht. Ohne Rucksack fühlten sich meine Füße überraschend leicht an, was den Aufstieg umso angenehmer machte. In der Kathedrale von Le Puy erhielt ich beim Küster meinen nächsten Stempel und führte ein freundliches Gespräch mit ihm.
Morgen früh werde ich um 7 Uhr zum Pilgersegen zurückkehren – ein besonderer Moment, auf den ich mich sehr freue. 😊
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Tag 5 von Le Puy-en-Velay nach Saint-Privat d’Allier
2181 km seit Berlin 👣
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Früh aufstehen lohnt sich! 😇 Um 7:00 Uhr war ich in der Kathedrale von Le Puy-en-Velay, zusammen mit etwa 15 anderen Pilger:innen. Die meisten kamen aus Frankreich, nur ich war aus Deutschland 🇩🇪, und ein Paar aus Québec 🇨🇦 war ebenfalls dabei.
Die Heilige Messe war angenehm und der Priester sehr einfühlsam. Doch katholisch zu sein bedeutet nicht nur Spiritualität, sondern auch ein großes Stück Theater 🎭 – oder wie meine Oma es nannte: „Klimbim“ 😂.
Im Sommer stehen hier sicher die Massen in den Startlöchern – oder besser gesagt: am „heiligen Startloch“. Nach der Messe, so die symbolische Vorstellung, öffnet sich die Erde, und Pilger wie ich können in die Tiefe hinabsteigen, um dann endlich auf der Via Podiensis ihre Erfüllung zu erpilgern.
Alléluia, Alléluia, Alléluia! 🙌 😇🤗
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Der Pilgertag begann phänomenal mit der Pilgermesse in der Kathedrale von Le Puy-en-Velay, die atemberaubend inszeniert war 🙌 (siehe mein letzter Reel). Danach führte mich der symbolische „Schlund der kathedralen Verdammnis“ hinaus in die Hoffnung des Weges. „Résurrection!“, betonte der Priester bedeutungsvoll. Und so ging es hinaus in den dichten Nebel.
Wenig bekannt: Die Via Podiensis beginnt offiziell erst an der Fontaine du Plot. Selbst als ich den Berg hinaufstieg, blieb die Landschaft durch den dichten Nebel verborgen. Doch das Besondere dieses Tages war nicht nur die Stimmung, sondern auch eine in über 1000 Jahren wohl seltene Sperre des Weges. Wegen Bauarbeiten musste ich einen Umweg nehmen – doch die Arbeiter waren freundlich und machten Witze, was die Situation auflockerte.
Oberhalb von Le Puy-en-Velay kochte ich mir einen Espresso und tunkte mein 🥖 hinein – eine kleine, aber herrliche Pause. Dabei sprach ich mit einer Pilgerfamilie, die den Weg gemeinsam ging. Was für eine schöne Idee, auch wenn ich später feststellte, dass der Weg kaum familienfreundlich ist. Mit anderen Pilgern traf ich mich erneut im charmanten Saint-Christophe, wo das Wetter mittlerweile richtig gut geworden war. ☀️
In der Nähe der sehenswerten Kapelle Saint-Roch erlebte ich eine außergewöhnliche Begegnung. Hinter mir tauchte ein freundlicher Motorrollerfahrer auf, der alle Pilger:innen des Tages abfuhr und fragte, ob sie ihre Lesebrille in der Kathedrale liegen gelassen hätten. Er bot an, sie zur nächsten Herberge zu bringen. Die Freundlichkeit dieser Region ist einfach unglaublich! Obwohl ich die Brille nicht verloren hatte, war ich tief beeindruckt von Brunos Hilfsbereitschaft.
Langsam ging es weiter auf einen 1200 Meter hohen Pass beim Lampiney-Berg. Die Müdigkeit machte sich bemerkbar – ich hatte wegen der Aufregung in der Kathedrale kaum geschlafen. Der Abstieg setzte meinen Zehen ordentlich zu, doch ein wunderschöner 🌈 auf meinem Camino entschädigte mich dafür.
Schließlich erreichte ich Saint-Privat-d’Allier, wo ich in der wunderbaren Gîte von Olivier und Heidi empfangen wurde. Diese Unterkunft hatte alles zu bieten – sogar eine spirituelle Yogaetage. Olivier kochte für uns die berühmten Linsen aus Le Puy. Gemeinsam mit Ludovic, Ingrid und Anne-Cécile führte ich lebhafte und spannende Gespräche über Kultur und Politik.
Einmal mehr war ich von der Freundlichkeit und Offenheit der Menschen hier begeistert. 🙏
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Tag 6 von Saint-Privat d’Allier nach La Clauze
2209 km seit Berlin 👣
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Eigentlich wollte ich alleine gehen, doch ich war froh, dass mich alle drei bald einholten. Es wurde ein wunderbarer Tag der deutsch-französischen Freundschaft 🇩🇪 🇪🇺 🇫🇷 mit lieben Menschen aus der Region rund um Lyon. Ohne es auszusprechen, schlossen wir eine Art „Pakt der Wölfe“ 🐺.
Unsere Gîte in Saint-Privat-d’Allier war ein Traum, doch ich erfuhr, dass Heidi und Olivier nach nur drei Jahren aufhören wollen. Das erklärte wohl die spürbare Distanz, die sie zu ihrem Job hatten.
Die 28 Kilometer des Tages boten beeindruckende Landschaften, aber auch einen leicht überholten Caminotourismus. Überall sah man hässliche Werbetafeln, die Pilgerangebote anpriesen – ein etwas störender Anblick.
Ich genoss den Blick auf Saint-Privat-d’Allier, die Talwälder und die Wolkenfetzen, die in der Sonne leuchteten. Oben, bei der fast alpinen Chapelle de Rochegude, hielt ich spirituell inne. Das Panorama und zwei liebe Bergziegen machten die Pause perfekt. In der Kapelle holte mich Anne-Cécile ein, und später stießen auch Ludovic und Ingrid zu uns.
In Monistrol-d’Allier hatten wir viel Spaß. Der Ort, mit seiner beeindruckenden Brücke Pont Eiffel, wirkte wie eine zurückgebliebene wallonische Industriestadt. Dennoch bekamen wir einen Pilgerstempel bei der freundlichen Mairie. Da die Cafés geschlossen waren, genossen wir frischen Espresso mit herrlichem Talblick an der Chapelle Sainte-Madeleine – dazu Kuchen und Madeleines.
Der weitere Weg wurde anstrengend, und unser nächstes Ziel, Saugues, war eher trist. Obwohl die Église Saint-Médard sehenswert war und bereits Weihnachtsstände aufgebaut wurden, machte der Ort einen armen Eindruck. In der Apotheke holte ich Desinfektionsmittel für meine Blasen, was dringend nötig war.
Das Museum zur Bestie von Gévaudan ließen wir aus. Obwohl ich den Film Le Pacte des Loups mochte, war mir die touristische Ausschlachtung der Geschichte zu viel. Nach 1764 wurden in der Region über 100 Frauen und Kinder bestialisch ermordet. Die Gegend ist bis heute dünn besiedelt und spiegelt eine gewisse Wildheit und den Widerstand gegen die Zivilisation wider.
In La Clauze hatte ich ein Bett in der Gîte d’Étape „Le Refuge des Pèlerins de Margeride“ gebucht, und alle schlossen sich an. So fanden wir uns schließlich beim wunderbaren Gastgeber Michel wieder, der unseren Tag perfekt abrundete.
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Tag 7 von La Clauze nach Saint-Alban-sur-Limagnole
#2233 km seit Berlin 👣
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La Clauze wirkte wie ein kleines, von Druiden geführtes keltisches Dorf, das nie von einem Priester betreten wurde. Michel, unser Gastgeber, empfing uns auf seine ganz eigene, positiv-grantige Weise und kochte unermüdlich regionale Köstlichkeiten – alles zu einem erstaunlich günstigen Preis. Mit uns am Tisch saßen auch der Fallschirmspringer Toto aus Savoyen und Stéphanie, eine Krankenschwester aus Straßburg. Während des hervorragenden Essens diskutierten wir über spannende und kontroverse Themen, darunter die skurrile Tatsache, dass Teile des Dorfes im Besitz der Familie des ehemaligen Präsidenten Jacques Chirac sind.
Am nächsten Tag verließen Anne-Cécile und ich diesen seltsam wunderbaren Ort. Das Wetter verschlechterte sich zusehends, doch der Regen passte perfekt zur Atmosphäre des bevorstehenden Plateaus. Die karge Landschaft mit ihren sandigen Flächen und weiten Viehweiden erinnerte mich stark an Schottland – echtes Highlands-Feeling.
Unser nächster Halt war Domaine Le Sauvage, eine beeindruckend gut ausgestattete Unterkunft, die an eine alpine Alm in einem Skigebiet erinnerte. Während wir dort aßen, wurde das Wetter immer regnerischer. Doch der Weg fiel mir trotz des schlechten Wetters überraschend leicht. Besonders beeindruckte mich die Chapelle Saint-Roch mit ihrer betreuten Pilgerstempelstelle. Hier überschritten wir die Grenze nach Okzitanien. Der Regen hielt an, doch unsere gute Laune blieb ungetrübt, und die freundlichen Hunde auf meinem #Berndscamino begrüßten uns wie immer herzlich.
Unser Tagesziel, Saint-Alban-sur-Limagnole, hinterließ einen besonderen Eindruck. Wir verliefen uns auf einem riesigen, menschenleeren Krankenhausgelände – der psychiatrischen Klinik der Region, die mit ihrer dystopischen Atmosphäre einen bleibenden Eindruck hinterließ. Im Ort selbst waren außerhalb der Saison nur wenige Gîtes geöffnet. Ich buchte mir kurzerhand eine komplette Etage über eine einfache Internetreservierung in der „Gîte de la Butte aux Oiseaux“ und genoss dort ein einsames, rustikales Abendessen.
Später am Abend traf sich unsere Pilgergruppe noch einmal in der „Bar du Centre“, wo wir uns bei belgischem Bier auf lustige Weise verabschiedeten. „Irgendwo und irgendwann in Europa sehen wir uns wieder!“
Le Pacte des Loups 🐺🐺🐺🐺🙏
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Tag 8 von Saint-Alban-sur-Limagnole nach Lasbros
2256 km seit Berlin 👣
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Ich bin im Aubrac angekommen. Am Morgen zeigte sich Saint-Alban-sur-Limagnole beruhigend lebendig. Faszinierend, wie geschäftig Sonntage in Frankreich sein können! Leider wurde keine Heilige Messe angeboten, also ging es für mich direkt in den Regionalpark.
Der Weg war angenehm und leicht, begleitet von wechselhaftem Aprilwetter. Regenschauer brachten mir zwei Regenbögen 🌈 – einen davon sogar vollständig. Endlich war ich wieder größtenteils allein, denn nur wenige Pilger waren unterwegs. Der karge Boden, fast ausschließlich mit Kiefern bewachsen, erinnerte mich an Brandenburg – nur auf Hügeln. Felsformationen führten mich durch enge Bachläufe, die dem Weg einen besonderen Charakter verliehen.
In Aumont-Aubrac traf ich Anne-Cécile wieder, und bei der Église Saint-Étienne stieß auch Stéphanie zu uns. Aumont ist sozusagen die einzige größere Zivilisation zwischen Le Puy-en-Velay und Conques-en-Rouergue. Hier sah ich eine Autobahn und Eisenbahnschienen, die jedoch kaum genutzt werden – eine kuriose Anomalie in dieser ansonsten so abgelegenen Region.
Der Weg führte uns weiter durch Weideland, das für das zähe Aubrac-Rind bestimmt ist. In La Chaze-de-Peyre lohnte sich der Aufstieg auf die Kirchenempore, später auch der Besuch der Chapelle dite de Bastide. Über Asphaltwege gelangten wir schließlich zu unserer Gîte, wo uns Marie, unsere resolut-freundliche Gastgeberin, herzlich empfing.
Die Unterkunft war streng geführt, aber geschmackvoll und funktional eingerichtet. Am Abend gesellten sich zwei weitere Paare zu uns: ein Restaurantbetreiberpaar aus „Le Selvois“ und ein Straßenarbeiter, der auch stolzer Kleinbauer ist. Marie bekochte uns routiniert und erklärte uns dabei die „Pilgersoziologie“: Im Mai und September seien die Wege am vollsten – im Mai, weil viele Berufstätige sich eine Auszeit nehmen, und im September wegen der Rentner:innen. Singles und Geschiedene pilgern wohl vor allem im Juni und Oktober, während Juli als der beste Monat auf der Via Podiensis gilt.
Ich hatte übrigens Glück – ab Dienstag macht Marie Winterpause. Und ab morgen erwartet mich laut Wetterbericht nur noch ☀️ Sonnenschein. Mein Weg führt mich weiter zur Unterkunft „La Colonie Aubrac“.
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Tag 9 von Lasbros nach Aubrac
2288 km seit Berlin 👣
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Es sollte der bisher schönste Tag meines gesamten Caminos werden. Alles passte: der Ort, das Wetter, die Menschen, die Tiere, meine Fitness – einfach alles. Der Naturpark Aubrac bot all dies in Perfektion. Paloma, die in der Gîte für die eigentliche Gastgeberin aushalf, ließ uns morgens in Ruhe frühstücken und uns auf den Weg machen. Gemeinsam mit Stéphanie und Anne-Cécile startete ich früh in die Sonne.
Der Aubrac war ein beeindruckendes Naturschauspiel: breite Sandwege, gesäumt von schottisch anmutenden Steinmauern und brandenburgischen Kiefern. Das Plateau, nach Regen wie ein Schwamm, war stellenweise schwer begehbar, aber Anne-Cécile half mir geduldig beim Überqueren von Stacheldraht und Pfützen. Dieser Tag markierte das Ende meines intensiven „Pilgersprachkurses“, der voller toller Gespräche über Gott und die Welt war.
Seit dem gestrigen Abend in der Gîte kenne ich nun auch die verschiedenen Rinderrassen der Region. Die Tierwelt zeigte sich freundlich, und die wenigen Menschen, die hier leben, scheinen äußerst privilegiert. Im malerischen, fast hobbitähnlichen Dorf Rieutort-d’Aubrac wirkten die Bewohner wohlhabend und zufrieden.
Ein architektonisches Highlight des Parks war die Pont de Marchastel, während die Roc des Loups mit ihrem Oculus de Marchastel ein Naturhöhepunkt war – weniger touristisch vermarktet, aber absolut beeindruckend. Ein ungeplanter Umweg führte uns schließlich zum eindrucksvollen Wasserfall Cascade du Déroc.
Eine Gruppe von Campern im Lebensabend lud uns unterwegs zu einer Tasse Tee ein. Besonders beeindruckte mich eine Pilgerin aus Nantes, die mit ihrem Hund Sushi und einem Zelt nach Santiago reist. Ich traf sie später an ihrer Schlafstelle im Wald nahe Nasbinals wieder.
Zuvor verabschiedete ich mich in einer Bar von meiner tollen Pilgerfreundin und Französischlehrerin aus Grenoble. Der Wechsel zur Winterzeit bedeutete, dass ich mich beeilen musste, um rechtzeitig nach Aubrac zu gelangen.
Ein fantastischer Sonnenuntergang in der kargen Landschaft des Hochlands von Aubrac begleitete mich, und pünktlich zur Dunkelheit erreichte ich, beschwingt und ohne Müdigkeit, nach 32 Kilometern das ehemalige geistliche Zentrum des Aubrac. Das Designerhotel „La Colonie Aubrac“ empfing mich freundlich. Nach einer erfrischenden Dusche ließ ich mich im Restaurant „L’Annexe Aubrac“ kulinarisch verwöhnen.
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Tag 10 von Aubrac nach Saint-Côme-d’Olt
2311 km seit Berlin 👣
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Das Frühstück packte ich wie immer ein und genoss meinen Kaffee zwischen den Antiquitäten der Moderne. Ich unterhielt mich ausführlich mit dem Portier der „Kolonie“, die in der Realität etwas anders wirkte als auf den schönen Bildern im Internet. Der erste Halt des Tages war die Église Notre-Dame des Pauvres. Von der ursprünglichen Anlage blieben nach der Französischen Revolution nur die Kirche, ein Turm und das Hospital erhalten. Im 12. Jahrhundert wurde die Domaine d’Aubrac errichtet, um Pilger in dieser menschenleeren und gefährlichen Region zu schützen. Damals war sie für einsame Pilger „Le Bout de l’Enfer“ – das Ende der Hölle.
Von den 1400 Metern Höhe des gestrigen Tages ging es nun bergab. Der Himmel war leicht diesig, und im Vergleich zum Vortag war der Weg eher monoton und anstrengend – oft glitschig und wenig abwechslungsreich. Seit Le Puy waren immerhin wieder die ersten Vulkanstümpfe zu sehen. Ansonsten führte der Weg durch Wälder und Wiesen, die sich nach den Regenfällen der vergangenen Wochen stellenweise in Bäche verwandelt hatten.
Kurz vor dem malerischen Saint-Chély-d’Aubrac erlebte ich eine überraschende Begegnung: Mein verloren geglaubtes Wanderbesteck überholte mich! Eine Myriam aus Marseille hatte es am Vorabend über Anne-Cécile als Fundstück identifiziert und brachte es mir zurück. Aus Dank lud ich sie auf einen Kaffee ein, und wir setzten uns in ein Café in Saint-Chély. Sie zahlte dennoch gewitzt selbst. Myriam arbeitet in der Versicherungsbranche und ist Franko-Algerierin in dritter Generation. Unsere Diskussion über den zunehmenden Rassismus in der französischen Gesellschaft und die Lage im Nahen Osten war kontrovers und spannend – die bisher politischste Begegnung auf meinem Camino. Großartig, auch wenn dabei die Natur etwas in den Hintergrund rückte.
In Saint-Côme-d’Olt ging es für mich zur Gîte d’Étape del Roumiou, während Myriam zum Couvent de Malet zurückkehrte. Die Gemeinschaft dort habe ich leider verpasst. Meine Gîte lag jedoch herrlich im historischen Kern des Dorfes. Gaétan, der die Gîte seit drei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Sophie betreibt, war ein wunderbarer, spiritueller Gastgeber. Als liberaler Katholik und ehemaliger Pilger strahlte er eine besondere Herzlichkeit aus.
Wir waren nur drei Gäste: ein Paar aus den Niederlanden mit ihrer Tochter aus Lille und ich. Zum ersten Mal auf meiner Reise gab es vegetarische Küche – ein herrlich indisches Essen, das mich begeistert hat. Indisch! 🙏
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Tag 11 von Saint-Côme-d’Olt nach Fontailles
2343 km seit Berlin 👣
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Saint-Côme-d’Olt zählt zu Recht zu den schönsten Dörfern Frankreichs – selbst im Morgennebel. Gaétan bereitete uns ein liebevoll gestaltetes Frühstück. Jakobspilger sind einfach die besten Gastgeber! Mit einem frischen Pilgerstempel und einem Besuch in der Kirche startete ich in den Tag. Die heutige Strecke war lang und fordernd, vor allem wegen drei anstrengender Steigungen – doch jede einzelne lohnte sich.
Die erste Steigung wurde mit strahlendem Sonnenschein belohnt und einem fantastischen Blick auf das Nebelmeer über dem Lot-Tal. An der Vierge de Vernus, einer kleinen Statue der Jungfrau Maria, hinterließen Pilger ihre Wünsche, geschmückt mit Plastikrosenkreuzen aus der Kathedrale von Le Puy. Nach einem Abstieg tauchte die romanische Kirche von Perse auf – ein architektonisches Highlight, das den Weg zum sehenswerten Städtchen Espalion einleitete. Dort versorgte ich mich mit leckeren Snacks und wanderte am Fluss entlang durch die Wohngebiete der Stadt.
Vor dem nächsten Aufstieg machte ich eine Pause im Dorf Bessuéjouls, das erstaunlich gut ausgestattet ist – von der Mairie bis zu öffentlichen Toiletten. Die Église Saint-Pierre mit ihrer katakombenartigen Oberkapelle faszinierte mich. Warum ich mit Rucksack die engen Treppen hinaufstieg, ist mir im Nachhinein schleierhaft. Danach genoss ich ein sonniges Picknick an der Église Saint-Madeleine.
Es wurde spät, also nutzte ich die flacheren Passagen, um vor Sonnenuntergang weiterzukommen. Leider blieb mir Estaing nur als romantisches Panorama auf der anderen Flussseite – ein kurzer, aber beeindruckender Anblick.
Der Weg führte anschließend durch ein menschenleeres Tal mit viel Asphalt, was die Etappe besonders anstrengend machte – vor allem vor der letzten steilen Steigung. Doch oben angekommen, erreichte ich endlich froh die Gîte. Leo, ein bodenständiger Freigeist, brachte mich in einen Ferienbungalow, den ich überraschenderweise mit Myriam teilen durfte! Der Pilgerverkehr lässt spürbar nach, und geschlossene Gîtes häufen sich, was diese Unterkunft umso willkommener machte.
Im Bauernhaus genossen wir regionale Linsen, guten Wein und lebhafte politische Diskussionen über Marseille, die Schweiz, Berlin und das Aveyron. Ein wundervoller Abschluss eines fordernden Tages!
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Tag 12 von Fontailles nach Conques
2372 km seit Berlin 👣
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Am Ende meiner Reise gab es spirituelle Begleitung und Impulse in der Église Abbatiale Sainte-Foy in Conques-en-Rouergue – und irgendwie war das nötig. Zwölf Tage am Stück zu laufen, war für mich eine Premiere. Es war wunderbar inspirierend, doch irgendwann ist auch die beste Pilgerreise an ihrem Ende.
Der letzte Tag war sonnig und Conques der perfekte Endpunkt für dieses Jahr. Der Weg war zwar schön, aber überraschend oft gepflastert. Leider hatte ich dummerweise meine dritten Socken eingesetzt – ein großer Fehler. Nach sieben Kilometern tat alles weh. Noch nie hatte ich unterwegs meine Socken wechseln müssen, aber diesmal war es dringend nötig. Danach ging es deutlich besser.
Morgens warnte uns der schlaue Leo noch, dass man auch Golinhac auslassen könnte. Doch Myriam und ich entschieden uns als Purist:innen für den klassischen Weg. Da Myriam früher in Conques sein musste, bat ich sie, ihren „Speed-Camino“ ohne mich zu starten. Es war eine gute Entscheidung, denn wir hatten uns glücklicherweise nicht auf Verpflegung am Wegesrand verlassen. Es war schlichtweg nichts geöffnet.
Überhaupt war ich kurz vor Allerheiligen nahezu allein auf dem Camino. Schön war jedoch, wie viele Menschen die Friedhöfe mit Blumen schmückten – ein eindrucksvolles Bild in dieser Jahreszeit. Der letzte Abschnitt war besonders einsam, und die Dörfer Espéyrac und Sénergues, so wunderbar sie auch sind, waren menschenleer.
Der Abstieg nach Conques war angenehmer, als ich befürchtet hatte, auch wenn er sich zog. Steil durch den Wald führte der Weg, bis ich plötzlich in einem der schönsten Dörfer Frankreichs stand.
In der Abtei geriet ich direkt in ein spirituelles Gespräch mit einem Pater, der mich herzlich empfing. Anschließend wurde ich sogar zum Abendessen mit den anderen Gästen der Abtei eingeladen. Es war eine kleine Runde, da nur noch eine weitere Pilgerin dort war. Conques, das normalerweise vom Tourismus lebt, war kurz vor Allerheiligen nahezu ausgestorben.
Die einzige Bar im Ort hatte nur noch Bier im Angebot, sodass ich umso dankbarer war, dass die Abtei funktionierte und lebendig war. Die Pilgermesse war sehr erbaulich und ein würdiger Abschluss meiner Reise.
Wie ich zum Nachtzug kommen sollte, war zwar noch unklar, doch immerhin hatte ich drei neue Pilgerstempel in meinem Credo gesammelt. Fast zwei Wochen unterwegs – was für eine Reise durch eine der menschenleersten Gegenden Frankreichs. 🙏
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Epilog: Dehypnotisierung im Nachtzug nach Paris
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Wurde ich durch den Bauch der Kathedrale von Le Puy-en-Velay auf den Pilgerweg geworfen, so war es die Natur, die mich steil in die mittelalterlichen Gassen und die Basilika von Conques führte. Welch überwältigender Eindruck muss es für Pilger:innen aus dem Heiligen Römischen Reich und Frankreich gewesen sein, als sie die gefährliche Todeszone des Gévaudan und die unwirtlichen Höhen des Aubrac überwunden hatten und von den Patres von Conques aufgenommen wurden.
Conques wirkt noch heute wie eine Oase. Selbst ich, als bekennender Digitalnerd, fühlte mich plötzlich gerettet und behütet. Nach der erbaulichen Pilgermesse vermittelte mir Pater Godefroid ein Pilgeressen – eine wundervolle Geste, die mir sehr viel bedeutete. 🙏
Anschließend bereitete ich mich auf meinen bestellten Uber vor, der mich zum Nachtzug in Saint-Christophe-sur-Dolaison bringen sollte. Doch plötzlich wurde die bestätigte Fahrt abgesagt. Puff. Noch bevor Panik aufkam, erreichte ich glücklicherweise kurzfristig einen Taxidienst, der einsprang. Enormes Glück gehabt – und der Preis von 65 Euro war sogar der Normalpreis.
Der Bahnhof selbst war nicht weniger surreal. Der Zug kam einsam und pünktlich, mit nur drei Waggons, und erinnerte mich an eine Szene aus einem Harry-Potter-Film – als wäre ich auf dem Weg nach Hogwarts. 🧙♀️ Kein Schaffner weit und breit. Ich fand den einzigen freien Platz im Liegewagen und schlief erstaunlich gut, bis ich schließlich in Paris Austerlitz ankam – zurück in die Zivilisation.
Von dort lief ich 40 Minuten zu meinen lieben Freund:innen vom Pilgerweg aus Langres, Mélodie und Martin (hinter Langres). Die beiden musizierenden Künstler, die ich damals auf einem Waldcampingplatz kennengelernt hatte, waren genauso herzlich wie damals. Gemeinsam streunten wir durch Paris, rund um die Bastille – jenes Arrondissement, das ich als Schüler zum ersten Mal erkundet hatte.
Später besuchte ich die gut besuchte Allerheiligenmesse in der Kirche Saint-Antoine des Quinze-Vingts und lud meine Freund:innen in mein geliebtes Café de l’Industrie ein. Dieses besondere Café hatte mir 1993/94 Stéphane Martayan gezeigt, und seitdem kehre ich immer wieder dorthin zurück.
In der typischen, winzigen Pariser Wohnung von Mélodie und Martin schlief ich wunderbar. Am nächsten Morgen brachten sie mich sogar zur Gare de l’Est.
Nun bin ich auf dem Rückweg nach Berlin. Ich genieße die neun Stunden im TGV und ICE, um die vergangenen zwei Wochen im einsamen Herzen von Frankreich zu reflektieren. Was für eine Reise.
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🙏🇫🇷