Was bleibt von Schengen übrig? – mein Beitrag bei l’Observateur

Was bleibt von Schengen übrig? Das ist eine kritische Frage, mit der sich die Journalistin Sarah Halifa-Legrand in ihrem Artikel im französischen Magazin l’Observateur auseinandergesetzt hat. Im Zuge ihrer Recherchen in verschiedenen europäischen Ländern besuchte sie auch die Europäische Bewegung Deutschland und sprach mit mir.  Hier eine Zusammenfassung vom Netzwerk EBD:

Was bleibt von Schengen übrig? Deutschland, als Tempelwärter der Reisefreiheit

Erneute Kontrollen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Zäune, gespaltene Völker… Die Flüchtlingskrise könnte ein Ende einer Welt ohne Grenzen bringen. Eine Reise in ein desintegriertes Europa. Fünfte Etappe: Deutschland.

Warum ist Angela Merkel die Einzige, die für eine Aufnahme von Flüchtlinge plädiert? „Frau Merkel hat den Fall der Mauer in Erinnerung, und will keinen neuen eisernen Vorhang etablieren“, sagt der deutschen Botschafter in Paris Nikolaus Meyer-Landrut. Bemuttert Frau Merkel Europa?

„Es ist meine Pflicht einen gemeinsamen Weg für dieses Europa zu finden“. Mit diesen, für Sie ungewöhnlichen Satz, hat Frau Merkel das Publikum überrascht, jedoch hat Sie dabei überzeugend gewirkt, meint der Spiegel-Journalist Ralf Neukirch. „Das ist keine Romantik, sondern Pragmatik. Was Sie will ist ein funktionierendes Europa, denn dieses funktioniert eben nicht“, sagt Bernd Hüttemann.

Merkel ist das einzige europäische Staatsoberhaupt mit einer mittel- und langfristigen Vision, sagt Robert Goebbels, der ehemalige luxemburgische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten. Sie ist die Einzige, die für eine Aufteilung der Flüchtlinge, für einen Abkommen mit der Türkei und für das Schengen-Abkommen plädiert.

Die Mitgliedsstaaten kritisieren Merkels Position, denn Sie habe mit ihrem „Wir schaffen das“ ein Willkommenssignal für die Flüchtlinge geschaffen. „Europa kann nicht mehr alle Flüchtlinge aufnehmen“, sagt der französische Premierminister Manuel Valls.

Den Europäern sind Merkels einseitige Entscheidungen bezüglich der Suspendierung von Dublin III sauer aufgestoßen. Mit einem demographischen Defizit und einer starken Wirtschaft sei Deutschland das einzige Land, das von billigeren, externen Arbeitskräften profitieren würde, setzt Marc Pierini, französischer Botschafter a.D. und Forscher bei Carnegie Europe entgegen. Frankreich dagegen hätte von der Aufnahme von Flüchtlingen keinen Vorteil.

Die Kanzlerin ist nicht nur innerhalb Europas, sondern auch innerhalb ihrer Partei, der CDU, immer mehr isoliert . „Man muss ein Ende zu frommen Wünsche und Illusionen setzen. Ich verstehe die Standpunkte von Österreich und den Visegrad Staaten, das kann auch eine Option für Deutschland sein. Dadurch entsteht die Frage: Ist dies das Ende von Schengen? Wie kann man ein europäisches Projekt erhalten, wenn jeder Staat seine Grenzen zumacht?“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld.

Unter Druck hat die Kanzlerin Grenzkontrollen wieder eingeführt und hat zugestimmt Wirtschaftsmigranten zurückzuführen. Wie in Schweden und in Österreich ist auch in Deutschland die Stimmung gekippt, was auch aus dem unerwarteten Erfolg von rechten Parteien in den Ländern deutlich wird. Umfragen ergeben das ca. 43% der Deutschen wieder Grenzkontrollen einführen wollen.

Inzwischen hofft Bernd Hüttemann, dass die Deutschen an der Idee von Europa ohne Grenzen noch weiter glauben werden. Auch die Deutsche Bundeswehrverband e.V. (DBwV) mahnt die Wichtigkeit eines Europas ohne Grenzen für die europäische Stabilität und den Frieden an.

„Schengen ist elementar für Deutschland. Die Grenzen schließen ist keine Option für das 21. Jahrhundert“, bekräftigt Angela Merkel.

Gleichzeitig stehe Frau Merkel vor einem Paradox. „Sie kann weiter die Schließung der Grenzen im Balkan kritisieren, jedoch hätte Sie auch ihre eigenen Grenzen schließen müssen wenn die Zahl der Migranten gestiegen wäre“, erläutert Ralf Neukirch. „Die Schließung der Grenzen zwischen Mazedonien und Griechenland wird Schengen retten. Niemand kann das sagen, aber es ist ein Fakt“, sagt Bernd Hüttemann. Nachdem Österreich und der Balkan die Grenzen geschlossen haben, ist die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland deutlich gesunken. Griechenland erstickt, aber Deutschland kann erneut aufatmen.

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